von Kurt Floericke
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Es ist doch etwas Wunderbares um den Vogelzug! Mit packender Eindringlichkeit und fast greifbar deutlich rollt er sich in großartiger Anschaulichkeit zweimal jährlich vor unseren Augen ab, und doch ist er noch immer vom Zauber des Geheimnisvollen umwoben und selbst für das Forscherauge mit schier undurchdringlichen Schleiern umhüllt. Er tritt so unmittelbar an uns heran wie wenige andere Vorgänge der Natur, gibt ganzen Jahreszeiten das sie kennzeichnende Gepräge, belebt unsere Einbildungskraft, reizt unseren Verstand, und doch können mir ihm trotz regster Forschungsarbeit nicht recht näher kommen, und die Gelehrten vermochten nur hier und da den Schleier ein wenig zu lüften. Die letzten und größten Rätsel liegen ja im Zugvogel selbst, in seinem Triebleben und in seiner Psyche, und deshalb erscheinen sie für den Menschen so unergründlich. Wer sich aber erst einmal planmäßig und wissenschaftlich vertieft mit den vielgestaltigen Fragen des Vogelzugs beschäftigt hat, den lassen sie einfach nicht wieder los, der ist ihnen zeitlebens sozusagen mit Haut und Haar verfallen. Glaubt man der einen Frage auf den Grund gekommen zu sein, gleich türmt sich ein halbes Dutzend anderer hinter ihr auf. Es ist wie der Kampf des Herkules gegen die lernäische Schlange, der aus jedem abgehauenen Kopf zwei neue hervorwuchsen. Seit 40 Jahren beschäftige ich mich nun mit dem Problem des Vogelzuges, bin den Zugvögeln auf ihren Heeresstraßen nach milderen Ländern nachgereist, konnte eingehend an so hervorragend günstigen Plätzen, wie Rossitten, Lenkoran, Tanger u.a., beobachten, und doch, je mehr ich mich in die Sache vertiefe, um so mehr komme ich zu der Überzeugung, daß all mein heißes und jahrzehntelanges Bemühen mich der Wahrheit nur um einen winzigen Schritt näher gebracht hat. Es ist unter solchen Umständen natürlich ganz unmöglich, die mannigfach verschlungenen und verkapselten Rätsel des Vogelzuges im knappen Rahmen eines Kosmosbändchens auch nur einigermaßen erschöpfend zu behandeln. Ich kann vielmehr nur einige jener Fragen, die sich dem Naturfreund erfahrungsgemäß besonders aufdrängen, herausgreifen und kurz schildern, was wir nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Vogelforschung darüber wissen.