von Theodor Lessing
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Allgegenwärtiges Brüllen, Dröhnen, Pfeifen, Zischen, Fauchen, Hämmern, Rammeln, Klopfen, Schrillen, Schreien und Toben, vor dem der friedliebende Geist weder in Stadt noch Land mehr Zuflucht findet: In seiner furiosen Polemik gegen den Lärm und für die Höflichkeit versuchte Lessing 1908 die zudringlichen Geräusche mit einer glänzenden Typologie der Angriffsformen auf das Ohr zu bannen. Dabei entstand nicht nur eine hervorragende Bestimmung des Lärm-Phänomens zwischen Selbstbetäubung, Vitalität und Aggression, sondern auch ein berührendes Plädoyer für Feinsinnigkeit und Rücksichtnahme, kurz: Menschenfreundlichkeit.Lessing, der bald einen Anti-Lärm-Verein sowie die Zeitschrift Der Anti-Rüpel gründete, ging gegen die Kräfte des gesamtgesellschaftlichen Getöses und der Rohheit mit allem an, was er hatte, und unterlag ihnen am Ende doch. Heute ist die Beschallung mittels mitgeführter Lautsprecher auch im Freien universell geworden, wie in Identifikation mit dem Aggressor leitet sie sich gar jeder per Kopfhörer direkt in den Gehörgang. Angesichts dessen wird hier Lessings Kampfschrift, begleitet von kommentierenden Essays, für das tägliche Abwehrgefecht gegen den Lärm als Einzelausgabe zugänglich gemacht: einer der schönsten, stillen Hilferufe der deutschsprachigen Literatur.