- Mit einem Essay zur Figur des Diogenes zwischen Kynismus, Narrentum und postmoderner Kritik
von Niklaus Largier
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Am Schicksal der Figur des Diogenes von Sinope, des beruhmten kynischen Philosophen der Antike, ist in hervorragender Weise die spatantike, mittelalterliche und fruhneuzeitliche Rhetorik des Exemplums darzustellen, sind doch samtliche Anekdoten, die uber das Leben des Kynikers berichten, moralisierende Exempelerzahlungen. Es lat sich so anhand verschiedener Kontexte, in denen die Exempla verwendet werden (Predigten, Lehrbucher, Fabeln, Geschichtsbucher), eine Logik des Exemplums rekonstruieren, die uns zugleich eine longue duree moralphilosophischer Rhetorik vor Augen treten lat. Dabei zeigt sich einerseits eine erstaunliche Kontinuitat, die bis ins spate 20. Jahrhundert reicht, und zugleich eine Vielfalt an Erzahlvarianten und Deutungsmoglichkeiten, anhand derer sich Traditionen der Allegorese, aber etwa auch der Ubergang vom pragmatisch-exemplarischen zum novellistisch-unterhaltenden Erzahlen neu verstehen lassen. Die vorliegende Studie sichtet und analysiert erstmals die breite und fast unuberschaubare Masse an Quellen des 4. bis 17. Jahrhunderts, die Diogenesanekdoten und -exempel uberliefern. Ein groer Teil dieser Quellen wird in der Arbeit ediert, ebenso eine von Diogenes handelnde, von Erasmus abhangige Historia des 16. Jahrhunderts. Die Texte dokumentieren die Faszination des Kynikers vor allem als moralphilosophische Exempelgestalt des Mittelalters und als Kulturkritiker der Fruhen Neuzeit. Sie machen zugleich das intertextuelle Feld fabar, in dem der Kyniker als kultureller Typus Gestalt annimmt und in dem er in Beziehung steht zu ahnlichen Figuren (Narr, Heiliger).