Über AIDS und Lunge
Ein von wenigen Proteinen umhtilltes Ribonuklid schickt sich an, unsere Welt zu ver iindem - dies in einem AusmaBe, daB mancher Historiker dereinst geneigt sein konnte, unsere Zeit im Rtickblick einzuteilen in eine Ara vor AIDS und eine Ara nach AIDS. Stumpf und stupide seinem biologischen Imperativ folgend, vermehrt sich das Virus - Leben borgend, weil allein zur Vermehrung nicht fiihig und dabei rticksichtslos Leben nehmend (Schriefers, 1987). Die Natur, die wir eben noch zu kontrollieren glaubten, schliigt zuruck. Sie antwortet mit existentieller Bedrohung der Spezies Mensch. Sie tut dies zu einem Zeitpunkt, da wir glaubten, der Kultivierung gerade jenes Triebes nahe gekommen zu sein, der fUr die Erhaltung der Spezies Homo sapiens sorgt und der den Angriffspunkt des HI-Virus darstellt. Aber nicht nur auf dem Gebiet der Sexualitiit wurden unsere Verhaltensweisen durch das HI-Virus veriindert, Wandlungen vollzogen sich auf allen Ebenen unseres Lebens und werden sich weiter vollziehen. Der Bogen spannt sich von der Moraltheologie zur Epidemiologie, von der Immunbiologie zur Sexualpsychologie, von der Soziologie zur Politik. AIDS ist ein zentrales Problem unserer Zeit geworden. Vielleicht wird man dereinst den geistig-moralischen Hochstand unserer Gesellschaft daran messen, wie sie mit AIDS fertiggeworden ist. Dies gilt auch - pars pro toto - fUr die Pneumologie und »ihr Organ«, die Lunge. Sie - die Lunge - muB zwangsliiufig, will sie ihre Aufgabe erftillen, den Organismus konti nuierlich mit dem Brennstoff Sauerstoff zu versorgen und von dem Abfallprodukt Kohlendioxid zu entsorgen, in engem Kontakt mit der Umwelt stehen.
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