Über Ausbreitung und Verfall der Romantik
Die ersten Romantiker bleiben die bewußten Pfadfinder durch das dunkle Land des Unbewußten, sie deuteten Mythologie, Märchen, Sage, Aberglauben, aber sie verirrten sich nicht oder fanden sich doch bald wieder zurecht. Mit klardenkendem, ja kritischem Kopfe liebten sie eine schöne Raserei, die Verwirrung des Traumes; und eine Verbindung der entgegengesetzten Pole, nenne man sie Vernunft und Phantasie oder Geist und Trieb, stellten sie als Ideal auf. Bald indessen drängten sich andere hinzu, die keine Verwandtschaft mit dem Verstand und der Geisteskraft jener fühlten, sondern einzig durch die berauschenden Dünste angelockt wurden, die aus dem aufgedeckten Abgrund stiegen. Es waren durchaus keine kritischen Köpfe, sondern unklare Träumer, Halberwachte, Schwache, denen es Wollust war, sich zu verirren und in den Abgrund hinuntergleiten zu lassen. Um dem Zwiespalt zwischen Geist und Natur zu entgehen, den sie nicht in sich zu überwinden vermochten, gaben sie sich ganz und gar der Natur, ihrem Triebleben hin, dem Geist abschwörend, worauf denn eben bald die flache Natürlichkeit wieder da war, die die ersten Romantiker bekämpft hatten. (Ricarda Huch)
Der Text des Neusatzes folgt der Ausgabe von 1902, erschienen im Verlag H. Haessel.
Inhalt
Überblick | Die Zerstreuung | Schöne Fremde und heimischer Nord | Romantische Weltanschauung | Neue Wissenschaften | Die romantische Zahl | Der Mensch in der romantischen Weltanschauung | Das Tier in der romantischen Weltanschauung | Romantische Lebensläufe | Brentano | E. T. A. Hoffmann | Die Nachtseiten in der Literatur | Romantischer Katholizismus | Die Kunst des Unendlichen | Romantische Ärzte | Romantische Politik | Kampf und Niederlage | Ausblicke | Verzeichnis der benutzten Quellen.
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