von Heinrich Seidel
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Es geht eine dunkle Sage, dass der Urahn meiner Familie wegen irgend eines Verbrechens aus der Schweiz entflohen sei. Man nagelte dort, da man seiner selbst nicht mehr habhaft werden konnte, sein Bildniss an den Galgen, er aber wandte sich nach Sachsen und gründete dort ein zahlreiches Geschlecht, wie ja denn noch heute der Name Seidel in Sachsen häufig ist. Ob diese Sage auf Wahrheit beruht, weiss ich nicht, mir aber hat sie stets ein gewisses Vergnügen bereitet. Denn der Mensch ist im Allgemeinen so geartet, dass er, anstatt sich mit seiner Ahnenreihe bald ehrbar und spurlos in das Dunkel der Vergangenheit zu verlieren, lieber eine recht herzhafte Abscheulichkeit eines Vorfahren in den Kauf nimmt, wenn sie nur dazu beigetragen hat, sein Gedächtniss der Nachwelt zu erhalten. Ob nun, wie einige sagen, der Name Seidel mit siedeln zusammenhängt und so viel wie Siedler oder Siedel (vgl. Einsiedel) bezeichnet, ob er, wie andere behaupten, Zeidler oder Zeidel d. i. Bienenzüchter bedeutet, vermag ich ebenfalls nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist man in heutiger Zeit mehr geneigt, ihn mit Bier in Zusammenhang zu bringen und der Witz die männlichen Kinder unseres Namens, als Schnitte, die weiblichen als Tulpen zu bezeichnen, erzeugt sich stets auf's Neue und hat Manchem schon viel billigen Spass bereitet. Als ich noch studierte, hielten aus denselben Gründen sehr oft neue Bekannte meinen Kneipnamen Till für meinen wirklichen, Seidel aber für meinen Kneipnamen.