Über Benzodiazepine
In allen klinischen Disziplinen der Medizin werden Benzodiazepine therapeutisch eingesetzt. Diese Entwicklung war nicht vorauszusehen, als vor 25 Jahren das erste Benzodiazepin-Derivat (Chlordiazepoxid) als "Ataraktikum", als "Tran quilizer" in der Psychiatrie eingeführt wurde. Inzwischen gehören die zahlreichen Benzodiazepine und wirkungsähnliche, strukturverwandte Pharmaka weltweit zu den am häufigsten verordneten Arznei mitteln. Das ursprüngliche Indikationsgebiet der Benzodiazepine bei psychiatri schen Patienten - die sogenannte Anxiolyse - ist längst nur noch ein Teilbereich der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für dieses Arzneimittel. In einigen Indikationsgebieten (z. B. als Schlafmittel) haben die Benzodiazepine inzwischen ältere Medikamente (z. B. Barbiturate) völlig zu Recht sehr weitgehend verdrängt. Das Urteil über Nutzen und Risiken der Benzodiazepine hat sich in den letzten Jahren immer wieder einmal geändert. Jetzt sind die Meinungen oft so kontrovers, daß Benzodiazepine im Widerstreit völlig unterschiedlicher Ansichten stehen. Das hängt damit zusammen, daß man aus verschiedenen Perspektiven zu durchaus divergierenden Ansichten kommen kann. So wird der in der Praxis tätige Arzt womöglich anders urteilen als der Kliniker; der Nervenarzt kann zu einem anderen Urteil kommen als die Ärzte anderer Fachdisziplinen; der Anästhesist, der Suchtexperte, der klinische Pharmakologe, der Schlafforscher, der Epileptologe, der Psychotherapeut und der Toxikologe haben oft weit voneinander abweichende, manchmal sogar völlig konträre Ansichten über die therapeutische Bedeutung der Benzodiazepine - über deren Nutzen und deren Risiko. Aber nicht nur die verschiedenen fachlichen Perspektiven können zu unter schiedlichen Ansichtenführen; auch aus der Perspektive eines einzelnen Fachs haben sich innerhalb der vergangenen 25 Jahre immer wieder neue, sich durchaus wandelnde Einschätzungen der Benzodiazepine ergeben.
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