Über Der Geist des Heidentums
Wäre das Heidentum weniger schön, wenn es wahrer in Erscheinung träte? Marc Augé nimmt sich in diesem Buch vor, die Frage, mit der Chateaubriand sich rechtfertigte, daß er die Schönheiten des Christentums vorführte, um seinen Geist besser definieren zu können, in Bezug auf das Heidentum umzukehren.
In der Tat ist das Heidentum mehr und weniger als eine Religion (aber wo beginnt, wo endet die Religion?): eine intellektuelle Art der Beziehung zu sich selbst und zum anderen, die allen nicht monotheistischen Gesellschaften gemeinsam ist, darüber hinaus aber auch allen gesellschaftlichen und rituellen Praktiken auch in den christlich geprägten und wissenschaftlich orientierten Gesellschaften.
Befragt werden hier sowohl die Denker des Religiösen (Durkheim, Nietzsche, Freud, Bataille...) als auch die Figuren, von denen die Fachleute der alten Geschichte und der Ethnologie ein deutliches Bild entworfen haben: der Gott, der Held, der Hexer, der Chef oder - im Schnittpunkt zweier Geschichten - der Prophet.
Denn die griechischen Götter wie die wodu des Golfs von Benin, die antiken Helden wie diejenigen der afrikanischen oder indianischen Kosmogonien, der klassischen Tragödie oder der Western sprechen zu uns von einer Konkurrenz zwischen Sinn und Wissen, die stets, selbst in den Industriegesellschaften, die politische Diskussion und die alltäglichsten Verhaltensweisen beherrscht.
Es ist heute vielleicht nicht unnütz, neu über das Heidentum nachzudenken und dabei die Alternative zurückzuweisen, der zufolge allein die religiöse Illusion im Freudschen Sinn das Gegengewicht zu den Totalitarismen des Jahrhunderts bilden könnte.
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