Über Dialog im Spannungsfeld von Schriftlichkeit und Mundlichkeit
In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts ist eine auffallende Konjunktur von Dialogromanen zu konstatieren, d.h. von Romanen, in denen wie in für die Aufführung gedachten Theaterstücken Sprecherrollen, Regieanweisungen und Dialogwechsel typographisch gekennzeichnet werden. Von diesem Textkorpus aus richtet sich die Fragestellung auf Genese und Funktion des Dialogs in Prosatexten im allgemeinen. Im Mittelpunkt steht deutsche und französische Dialogprosa der Zeit zwischen 1770 und 1800; ergänzt um die Vorgeschichte seit der Frühaufklärung und einen Ausblick auf das beginnende 19. Jahrhundert, um Entwicklungslinien deutlich zu machen. Während jedoch im verwandten und als vergleichbare Gattung heranziehbaren Briefroman der Brief dem Medium Schrift verpflichtet bleibt, markiert der Dialog die Schnittstelle zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit. Es scheint daher sinnvoll, die dialogische Literatur nicht unter Gattungsgesichtspunkten zu untersuchen, sondern vor dem Hintergrund sich wandelnder Kommunikationsverhältnisse, im Zusammenhang der Geschichte von Schrift, Druck, Alphabetisierung und Lektüre. Anhand der poetologischen Diskussion um das zentrale Stichwort der 'Vergegenwärtigung' wird zunächst die theoretische Programmatik des Dialogs als 'fingierter Mündlichkeit' vorgestellt und in einem weiteren Kapitel deren Relevanz für die zeitgenössische Pädagogik erläutert, bevor in Einzelanalysen der Dialogromane von Wezel und populären Schriftstellern der Spätaufklärung, von Klinger, Wieland, de Sade, Diderot und Rousseau der je spezifische Einsatz der literarischen Technik Dialog konturiert wird.
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