Über Doppelleben - Schriftsteller zwischen Beruf und Berufung
"Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags wird am Tage gezeichnet. Abends bin ich ein witziger Autor bis spät in die Nacht." Was E.T.A. Hoffmann über sein Doppelleben zwischen Richterberuf und künstlerisch-literarischer Passion sagte, galt und gilt für die allermeisten Schriftsteller seiner und unserer Zeit. Wie erleben Schriftsteller diese Zerrissenheit zwischen zwei Welten, das ständige Hinüberwechsel zwischen Beruf und Berufung? Wie schaffen sie sich die notwendigen Freiräume für ihr literarisches Schaffen? Wie vereinbaren sie die Gegensätze und Spannungen, die sich notgedrungen daraus ergeben, dass sie gleichzeitig einer Erwerbsarbeit nachgehen und am literarischen Spiel teilnehmen. Zu all diesen Fragen entwickelt der Soziologe Bernard Lahire ¿ im Anschluss an so illustre Vorgänger wie Howard S. Becker und Pierre Bourdieu ¿ auf der Grundlage einer breit angelegten empirischen Untersuchung ein theoretisches Instrumentarium zum besseren Verständnis des Literaturbetriebs als eines ganz besonderen gesellschaftlichen Teilbereichs, der anderen Regeln gehorcht als stärker institutionalisierte Lebenssphären innerhalb der Gesellschaft. Die Autorenporträts gewähren zudem Einblicke in die Arbeitsorganisation und Befindlichkeit sehr unterschiedlicher französischer Gegenwartsschriftsteller und vermitteln so einen ungewohnten Zugang zur Literatur, die sich dadurch ¿ anders als es zumeist geschieht ¿ vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedingungen des literarischen Schaffens erhellt. In diesem Sinne ist Bernard Lahires viel beachtetes Werk ein bedeutsamer Beitrag (literatur)soziologischer Aufklärung.
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