Über Ella Bünkerts Traumakte
Die einst gefeierte Schauspielerin Ella Büngert lebt seit einigen Monaten in der geriatrischen Klinik Altenburg. Altersverwirrtheit lautet die Diagnose. Erinnerungen an Vergangenes, an Bühnenrollen und Erlebtes vermischen sich scheinbar unkontrolliert mit der Alltagsnormalität des Heimes. Sie verquicken sich zu Szenen, die ebenso skurril wie bitter, ebenso komisch wie entlarvend sind. Durch therapeutisches Erinnern hoffen die Mediziner wieder Klarheit in Ellas Kopf zu schaffen.
Bei einem der Versuche, aus der Heimkontrolle auszubrechen, reißt Ella ihre Zimmergenossin Babuschka mit. Für ein paar Minuten erschlichener Freiheit büßen die Frauen bitter. Babuschka muss auf die Krankenstation verlegt werden. Bist dort, bist tot. Getrieben von Selbstvorwürfen macht sich Ella auf die Suche nach Babuschka. Dort kommt sie nie mehr an. Heimgesucht von Bildern, die wirklicher sind als die Wirklichkeit selbst erfüllt sich stattdessen Ella Büngerts nie ganz erloschene Sehnsucht nach der einen großen Liebe, nach Toni, dessen Augen schräg zu allen Dingen standen, als sähe er die Dinge von mehreren Seiten aus.
Ella Büngerts Traumakte ist ein einfühlsamer, aufrüttelnder Text über alternde Menschen, ihre Annäherung an den Tod und ihre Versuche, ihre Würde bis zuletzt zu bewahren. Zugleich birgt er ein packendes Stück Theatergeschichte. Vermeintliche Verwirrung entpuppt sich als kluge Klarheit, die die Beklemmung in uns selbst aufspürt.
Doktor, ich brauche deine grünen Pillen nicht mehr.
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