Über Gegen das Schweigen
Von den ersten Nachkriegsjahren durch die Wirtschaftswunderzeit in die "Swinging Sixties": Geschichten wie ihre waren jahrzehntelang kaum erzählbar. Die Geschichte der Kindheit in Ostwestfalen, der Schülerin mit Liebe zur Musik, der Studentin an der Uni Hamburg ist auch die Geschichte einer lesbischen jungen Frau im Zeitalter der Ultra-Homophobie.
Im Sommer 2020 schrieb Luise F. Pusch ihre Erinnerungen an ihre bedrückende lesbische Kindheit und Jugend auf. Als Trigger wirkte der Corona-Lockdown: Auch in den reaktionären 1950er und 1960er Jahren bis weit über die sogenannte sexuelle Revolution hinaus waren Kontakte mit Mitmenschen bedrohlich, Gesellschaft gefährlich, Alleinsein Rettung und Erholung vom Zwang zur Verstellung und von lähmender Angst.
Schwule Schriftsteller wie Paul Monette, Didier Eribon, Douglas Stuart oder Daniel Schreiber haben erschütternde Berichte über die Kämpfe und Krämpfe ihrer schwulen Kindheits- und Jugendjahre vorgelegt. Lesben haben weiter geschwiegen. Luise F. Pusch bricht dieses lesbische Schweigen über das unerträgliche Heranwachsen in jenen homophoben Nachkriegsjahrzehnten.
So persönlich wie reflektiert legt die feministische Sprachwissenschaftlerin Zeugnis ab von einer bislang vielverschwiegenen Realität: "Was uns angetan wurde, muss endlich ans Licht", sagt sie, "damit nicht die gleichen Fehler immer wieder passieren und um künftiges Leid zu verhindern."
Schon vor 41 Jahren hat Pusch mit ihrem autobiografischen Bericht "Sonja. Eine Melancholie für Fortgeschrittene" über den lesbischen Alltag zweier Studentinnen 1965 bis 1976 Ähnliches gewagt. "Sonja" beginnt dort, wo "Gegen das Schweigen" aufhört.
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