Über Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart
Literatur ist die geistige Entwickelung der Völker, insofern sie im Worte lebendig geworden ist. Die Geisteserzeugnisse einer Nation sind nicht gerade alle schriftlich niedergelegt; zu denselben ist auch das lebendige Wort zu rechnen, sofern es, den beschränkten Ansprüchen des Einzelnen entrückt, zum Gemeingut eines größeren Kreises geworden ist: das Sprichwort, das mündlich erhaltene Volkslied, die religiöse Anschauung, die Lebensweisheit einer Nation oder eines Teiles derselben. Allerdings werden sich auch diese Stücke, wie die kirchliche Tradition, in manchen Fällen einer späteren schriftlichen Abfassung nicht entziehen. Die Geschichte der Literatur hätte demnach in chronologisch, jedenfalls aber logisch geordneter Weise diese geistige Entwicklung der Menschheit dem Zuhörer oder Leser vorzuführen, die Produkte der freien Geistestätigkeit zur Kenntnis und Anschauung zu bringen.
Wir haben für unsere Darstellung nur die Literatur unseres Volkes heraus gehoben. Und auch so haben wir den weiten Gesichtskreis noch in etwa verengt. Es sind die dichterischen Geistesprodukte der Nation, auf die wir unser eigentliches Augenmerk richten wollen. Denn diese bilden ja vorzugsweise das, was man National-Literatur zu nennen pflegt, was für die Gesamtheit eines Volkes bestimmt ist. Insofern aber diese poetische Geistestätigkeit vielfach ganz untrennbar ist von dem sonstigen literarischen Streben eines Volks in Religionswissenschaft, Philosophie, Geschichte, Redekunst, insofern sie von diesem literarischen Streben bald hervorgerufen, bald getragen und befördert, bald bestimmt und geformt erscheint, so glaubten wir uns einer eingehenden Betrachtung dieser einzelnen Disziplinen in ihrer Entwicklung nicht entziehen zu dürfen. [...]
Dieses wundervolle und umfangreiche Buch ist ein Nachdruck der historischen Originalausgabe von 1869.
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