Über Grenzverläufe
Da ist einer, der in ein grenznahes Städtchen fährt mit der festen Absicht, noch am Tage der Ankunft die Grenze eigenmächtig zu überschreiten, um dieses Land ein für allemal hinter sich zu lassen. Der Weg zur Grenze und ihr genauer Verlauf sind ihm unbekannt. Unter denen, die er fragt, ist die Gehilfin eines Landvermessers, der die Umgebung der Stadt und die Gegend in Grenznähe vertraut ist. Sie findet sich sogar bereit, in der Nacht mit ihm zusammen aufzubrechen - als hätte sie diesen Entschluss schon seit langem gefasst. Doch zum vereinbarten Zeitpunkt erleidet er ein unerklärliches Unwohlsein, das ihm wie der Vorbote einer ernsten Erkrankung erscheint. Sie geht ohne ihn und kommt vermutlich um, was er am nächsten Morgen im Büro des Stadtkämmerers und stellvertretenden Bürgermeisters erfährt. Schockiert erlebt er noch an diesem Tag im Entsetzen über das Geschehene die Grenznähe seines Daseins, einen Herzstillstand. Das Gewahrwerden der Wandlung nach seiner Rettung, lässt ihn die tieferen Nöte seines Lebens erahnen. Bleiben statt entkommen - so sein Schluss.
Es geht in diesem Kurzroman weniger um eine politische, staatliche Grenze, wie gegenwärtig sie auch sein mag, sondern um die Grenze und die Intention ihrer Überwindung als existenzielles Phänomen des menschlichen Daseins. Es geht um den Menschen, der in permanenter Grenznähe existiert, auf Grenzüberschreitung und Grenzverletzung im Sinne der Überbietung gerichtet, dazu genötigt, Grenzen nicht nur zu ertragen, sondern aus der Grenznähe Kraft zu gewinnen.
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