Über Grundzüge der Historik
Eine der frühen Grundlagentexte der Diskussion über die historische Methode.
Gervinus gibt Antwort auf die Fragen, die er selbst zu Anfang seiner Abhandlung stellt: Wie kommt es, daß sich neben der Poetik nie eine Historik Platz verschaffen konnte? Wie kommt es, daß über das Wesen der Geschichte, über die verschiedenen Arten der Geschichtschreibung, über das Geschäft und Verfahren des Historikers verhältnismäßig so weniges, an sich so unbedeutendes geschrieben ward? ... Dagegen scheint es nicht möglich, verschiedene Gattungen der Geschichtschreibung formell zu unterscheiden, ohne sogleich auf die Verschiedenheit des Wesens zu gelangen. Dies liegt darin, weil in der Poesie die Form so sehr Hauptsache vor dem Inhalt ist, als in der Geschichte der Inhalt wesentlicher als die Form. Daher gerät man in der Geschichte viel leichter auf materielle, als auf formelle Trennung der Gattungen, und man hört, mit Rücksichtnahme auf den Gegenstand, Politische, Literatur-, Kirchen-, Rechtsgeschichte unterscheiden, oder mit Bezug auf den Umfang, Biographie, Geschichten einzelner Handlungen, Völker- und Weltgeschichte. Wir aber, sobald wir von geschichtlicher Kunst reden, suchen, wie der wahre Ästhetiker in der Poesie, formelle Gattungen, deren verschiedene Gestalt notwendiger Ausdruck einer wesentlichen innern Verschiedenheit ist.
Der Text des vorliegenden Neusatzes folgt der Ausgabe Leipzig 1837, erschienen im Verlag Wilhelm Engelmann. Er wurde auf der Grundlage der alten deutschen Rechtschreibung behutsam modernisierten, um das Verständnis und die Lesbarkeit des Textes für den heutigen Nutzer zu verbessern.
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