Über günstige intelligenz
Jörg Piringer investierte 5,60 Euro in einen Online-Dienst, um die Leistungsfähigkeit des neuronalen Netzwerks generative pretrained transformer (GPT in der Version Nr. 3) mit diversen Schreibaufträgen zu testen. Die Ergebnisse dieses wohlfeilen Experiments dokumentiert der vorliegende Band. Gedichte nach bestimmten Vorgaben oder ein ganzer Katalog von Transformationen eines vorgegebenen Gedichts in einen Gesetzestext, ein Gebet, einen Wikipaedia-Artikel, in einen Glu¿ckskeksspruch oder einen Donald-Trump-Tweet bezeugen die Stilsicherheit der Ku¿nstlichen Intelligenz, die Piringer auch einem Intelligenztest (Sprachkompetenzaufgaben) unterzieht, bei dem diese allerdings mit einem unterdurchschnittlichen Ergebnis abschneidet. Piringer setzt die von GPT-3 erstellten Poesie-Dokumente in Beziehungen zu historischen, analogen Kombinatoriken oder den Hervorbringungen von Schizophrenen und macht Differenzkriterien sichtbar zwischen "inspirierter" Produktion gegenu¿ber jener der Programmroutine, der die Fähigkeit, "Wortwitz" und semantische Doppelbödigkeit zu "verarbeiten", vollends fehlt.
Vorzu¿ge des nicht computerunterstu¿tzten Schreibens bringt Piringer umso beherzter in seinen genuinen Gedichten wie dichterisch-essayistischen Reflexionen zur Geltung: Mit lakonischen Pointen bespricht er die Inselbegabung der Maschine, Probleme des immensen technischen und ökonomischen Aufwands beim Trainieren von Neuronalen Netzwerken sowie der Definitionsmacht in Bezug auf Algorithmen und nicht zuletzt die tiefgreifenden sozialen Implikationen der KI-Poesie fu¿r den Autor als Redakteur und "Mausklicker".
Jörg Piringers gu¿nstige intelligenz ist ein geistreicher und unterhaltsamer Zwischenbericht u¿ber den Stand computerfabrizierter Dichtung heute, die in punkto ästhetische Komplexität und Innovation sowie inhaltliche Substanz der humangenerierten Literatur nach wie vor - in durchaus beruhigendem Abstand - hinterherhinkt.
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