Über Krankheit und Begriff
In der Geschichte der Medizin gab es immer wieder Phänomene, die an der Schwelle zur Krankheit standen, in einer Art Grenzbereich zwischen gesund und krank, und die gewissermaßen als präpathologische Phänomene bezeichnet werden können. Erst durch einen passenden Begriff, oftmals einen Neologismus, konnten die Phänomene diese kritische Schwelle überschreiten und zumindest für einen gewissen Zeitraum offiziell in die Kategorie der Krankheiten aufgenommen werden. Innerhalb dieser Arbeit stehen drei vergängliche Krankheitskonzepte im Zentrum des Interesses: die Nostalgie, die Monomanie und die Neurasthenie. Tobias-Jan Kohler beschreibt jeweils den Moment, in dem sich ein präpathologisches Phänomen mit einem konstruierten, sprachlichen Begriff vereinigte, wodurch mit einem pathologischen Neologismus schließlich eine Krankheit konstituiert wurde. Daran anschließend zeichnet Kohler die Wege nach, die diese Dualismen aus pathologischem einerseits und sprachlichem, begrifflichem Phänomen andererseits gegangen sind, wie sie in den Enzyklopädien, Nosologien, Klassifikationssystemen und Klinischen Wörterbüchern ihre Abdrücke gefunden haben, von der ersten Diagnostizierung über den allgemeinen Diskurs und die Kritik bis hin zu dem Fall der Krankheit in die medizi-nische Bedeutungslosigkeit und das allgemeine, sprachliche Vergessen. Durch den Vergleich der Krankheitsphänomene und deren medizinischen sowie sprachlichen Entwicklungen untereinander können schlussendlich weitere Erkenntnisse hinzugewonnen werden, wie solche Phänomene oder auch Diskurse aus dem Bereich der Medizin generell entstehen und welche Rolle dabei die Sprache bzw. der einzelne Begriff spielt.
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