Über Kreuzzug als Selbstbeschreibung
Die Geschichte der Valois-Herzöge von Burgund kann aus der Retrospektive zu einer
Gegenüberstellung von modernen und mittelalterlichen Elementen dieser
Herrschaftsbildung verleiten. Insbesondere die Kreuzzugspläne Philipps des Guten
(1419¿1467) erscheinen vor dieser Folie wie das letzte Aufblühen einer
mittelalterlichen Kultur, die nicht recht zum klassischen Narrativ eines
»burgundischen Staates« passen will. Statt in Philipp aber einen Don Quijote des 15.
Jahrhunderts oder den Vorläufer des »letzten Ritters« Maximilian zu sehen,
untersucht die Studie seine Kreuzzugsprojekte als Bestandteil einer burgundischen
Statuspolitik: Die ostentative Bereitschaft zur Verteidigung des Glaubens erlaubte
der jungen Dynastie, eine Höherrangigkeit im Kreis der europäischen Fürsten zu
beanspruchen. Zur Analyse des burgundischen Kreuzzugsdiskurses stützt sich die
Arbeit auf drei Traktate des Jean Germain (¿ 1461), die er als Kanzler des Ordens
vom Goldenen Vlies verfasste. Methodologisch betritt sie dabei Neuland, indem eine
sequenzanalytische Methode der rekonstruktiven Sozialforschung mit einer
diskursanalytischen Perspektive verbunden und zur Untersuchung spätmittelalterlicher
Handschriften herangezogen wird.
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