Über Kulturargument in der Europadiskussion
Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziologie - Politik, Majoritäten, Minoritäten, Note: 1,8, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Soziologie), Veranstaltung: Nationale, kosmopolitische und imperiale Ordnungen im gegenwärtigen Europa ¿ Zum Experimentalcharakter der Risikosemantiken im sozialwissenschaftlichen Europadiskurs, Sprache: Deutsch, Abstract: Als der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Februar 2008 bei einem Deutschlandbesuch seinen Landsleuten zur Integration riet, Assimilation aber zu ¿einem Verbrechen an der Menschheit¿ (Hermann 2008, faz.net) deklarierte, rief dies europaweite Kritik hervor. Es unterstrich zudem die Ansicht einiger Europäer, die Türkei sei für einen Betritt in die EU (noch) nicht bereit. Die Debatten, die Erdogans Rede ausgelöst hat, lassen schon ahnen von der gewaltigen Macht, die Kultur in der heutigen Europa-Diskussion besitzt. Denn Kultur kann sowohl als Hindernis für eine europäische Integration, als auch als Lösung europäischer Probleme gesehen werden. So ergeben sich anhand unterschiedlicher Auffassungen von Kultur unterschiedliche Konzepte, die entweder für oder gegen eine zunehmende Integration Europas sprechen und aus denen man schließen kann, wie ein zukünftiges Europa aussehen könnte. Mittels einer Interpretation und Analyse ausgewählter Texte werde ich in dieser Arbeit versuchen, die verschiedenen Kulturargumente herauszuarbeiten. In einem weiteren Schritt werde ich aufzeigen, welche Entwicklung sich je nach dem verwendeten Kulturargument für Europa ergeben kann. Anschließend werden die unterschiedlichen Konzepte miteinander verglichen und diskutiert. Zunächst möchte ich aber darstellen, mit welchem Kulturbegriff gearbeitet wird, also was Kultur denn eigentlich bedeutet. Ich verwende den Kulturbegriff der Volkskunde/Europäische Ethnologie, den so genannten erweiterten Kulturbegriff. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem, was traditionell unter Hochkultur oder schöner Kultur, also den bildenden Künsten, verstanden wird. Es geht demnach nicht um Werke der Literatur, des Theaters oder der Musik, die den menschlichen Alltag aufwerten, sondern um die ¿Gesamtheit menschlichen Symbolschaffens¿ (Gerndt 1997, S. 35). Betrachtet wird die ¿gesamte Wirklichkeit im Spiegel des menschlichen Bewusstseins¿ (ebd., S. 35), also alles das, was übrig bleibt, wenn man ¿Natur¿ abzieht. Der erweiterte Kulturbegriff bezieht sich also auf materielle Gegenstände ebenso wie auf Verhaltensformen, Wert- und Normenvorstellungen bis über Glaubensansichten und Sprachmuster und erfasst ebenso traditionelle Kontinuitäten wie auch den Wandel der kulturellen Ausdrucksformen.
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