Über Macht und Zeit
Ausnahmezustand und Alltag, Feiertage und Arbeitstag: Dass Zeit eine politische Dimension hat, ist unmittelbar einsichtig. Revolutionen und Krisen, Restaurationen und Ideologien, Produktions- und Lebensweisen bringen unterschiedliche Zeitvorstellungen hervor - und geraten dabei in Konflikt. Aber wie genau produzieren die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Rationalitäten immer wieder neue und unterschiedliche Zeiterfahrungen? Die Kosseleck'sche Multiplizität von geschichteten temporalen Regimen reicht dafür nicht aus. In Macht und Zeit wird die wechselseitige Konstitution von zeitlichen und politischen Ordnungen verhandelt. Macht arrangiert, verwaltet und normiert zeitliche Regime, Zeitlichkeit bestimmt über die Wirkung politischer Konzepte und kann gleichzeitig deren Fragilität zum Vorschein bringen. Dan Edelstein, Stefanos Geroulanos und Natasha Wheatley entwickeln das Konzept der Chronozönose, um zu zeigen, wie unterschiedliche Zeitregime konfligieren oder miteinander verflochten sind: Manchmal erzwingt der Zusammenstoß von Zeit und Macht eine bestimmte zeitliche Hierarchie, bringt diese zum Einstürzen oder bestimmt die Bedeutungen von Ästhetik und Anthropologie, Biologie und Religion neu. Der konzise Essay rekapituliert dafür das erstaunlich schwierige Verhältnis, das die Geschichtswissenschaft zur Zeit unterhält. Er nimmt die Herausforderung durch die postkoloniale Kritik an der Geschichtsschreibung auf und schlägt ein neues Verständnis für die Bedeutung von Zeit in der Geschichte vor, das die Horizonte der Geschichtsschreibung transformiert.
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