Über Mein unbekannter Vater
Ein Schatz in zwei Papiertüten: 500 Briefe ihres Vaters, geschrieben zwischen 1934 und 1946, verdichtet die Autorin zu einer biografischen Studie ihrer Familie in der NS-Zeit. Sie folgt dabei den Spuren ihres unbekannten Vaters, von dem sie bereits in früher Jugend getrennt wurde. Sie lernt einen Menschen kennen, dessen Lebensweg in einem christlich geprägten bildungsbürgerlichen Milieu in Osnabrück beginnt und der sich als angehender Buchhändler in Leipzig dem Studium der Literatur verschreibt, wo er auch seiner ersten Liebe begegnet. Seine weitere Lebensplanung wird jäh durchkreuzt durch die Einberufung zur Wehrmacht und den sich anschließenden Dienst als Offizier im Russlandfeldzug 1941/42 und als Besatzer in Dänemark. Nach Gefangenschaft in Frankreich kehrt er in ein zerstörtes Osnabrück zurück.Vor diesem Hintergrund zeigt die Autorin den schleichenden Prozess der Vereinnahmung aller Lebensbereiche durch die NS-Ideologie auf, ein ebenso schmerzhafter wie auch notwendiger Prozess, in dem es um die immer wieder und immer noch bewegende Frage geht, wie es möglich war, dass sich persönlich liebenswerte und unbescholtene Menschen in den Bann eines mörderischen Regimes ziehen ließen. Einfühlsam, aber auch mit kritischer Distanz beschreibt die Autorin den Werdegang ihres Vaters, der nach eigener Aussage nicht zum Soldaten geboren wurde, dessen Leben aber Schritt für Schritt vom NS-System vereinnahmt wurde, dem er sich bis zum bitteren Ende verpflichtet fühlte.
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