Große Auswahl an günstigen Büchern
Schnelle Lieferung per Post und DHL

Menschen im Krieg

Über Menschen im Krieg

Es war im Spätherbst des zweiten Kriegsjahres, im Lazarettgarten einer kleinen österreichischen Provinzstadt, die am Fuße bewaldeter Hügel, wie hinter einer spanischen Wand verkrochen, ihr verschlafen friedfertiges Dreinschauen noch immer nicht abgelegt hatte. Tag und Nacht pfiffen die Lokomotiven, rollten die schwerbeladenen Züge mit singenden, geschmückten Soldaten, mit hochgeschichteten Heuballen, brüllendem Schlachtvieh, sorgfältig verschlossenen, finsteren Wagen mit Munition zur Front hinaus; krochen langsam die anderen heimwärts, gezeichnet mit dem blutenden Kreuz, das der Krieg über Wände und Insassen geworfen. Mit Raseschritten durcheilte die große Wut das Städtchen, ohne seine Ruhe verscheuchen zu können, als hätten die niederen, hell getünchten Häuser mit den zopfig verschnörkelten Fassaden stillschweigend das kluge Übereinkommen getroffen, den anspruchsvollen, lärmenden Gesellen, der da das unterste zu oberst kehrte, vornehm zu ignorieren. In den Anlagen spielten die Kinder ungestört mit den großen, rostroten Blättern der alten Kastanien, Frauen standen schwatzend vor den Ladentüren, in jedem Gäßchen schwebte irgendwo ein Mädchen mit buntem Kopftuch, und rieb eine Fensterscheibe blank. Trotz der Spitalfahnen, die auf Schritt und Tritt von den Häusern wehten, trotz der vielen Tafeln, Aufschriften und Wegweiser, die der Eindringling dem wehrlosen Städtchen ins Antlitz geheftet, schien da, kaum fünfzig Kilometer hinter dem Gemetzel, dessen Schein, in klaren Nächten, wie Theaterfeuer über den Horizont zuckte, der Frieden immer noch in Permanenz. Wenn, für Augenblicke, der Strom der schweren, fauchenden Kraftwagen und rasselnden Fuhrwerke versiegte, kein Zug über die Eisenbahnbrücke polterte, und zufällig auch kein Trompetensignal und kein Säbelklirren kriegerisch tat, dann steckte das trotzige kleine Nest blitzschnell sein gutmütig-stumpfsinniges Provinzgesicht auf, um sich vor dem nächsten Generalstabsauto, das mit wichtigtuerischer Schnelle um die Ecke bog, resigniert hinter die schlechtsitzende Soldatenmaske zu verkriechen.

Mehr anzeigen
  • Sprache:
  • Deutsch
  • ISBN:
  • 9791041907434
  • Einband:
  • Taschenbuch
  • Seitenzahl:
  • 60
  • Veröffentlicht:
  • 15. Februar 2023
  • Abmessungen:
  • 170x4x220 mm.
  • Gewicht:
  • 111 g.
  Versandkostenfrei
  Sofort lieferbar

Beschreibung von Menschen im Krieg

Es war im Spätherbst des zweiten Kriegsjahres, im Lazarettgarten einer kleinen österreichischen Provinzstadt, die am Fuße bewaldeter Hügel, wie hinter einer spanischen Wand verkrochen, ihr verschlafen friedfertiges Dreinschauen noch immer nicht abgelegt hatte. Tag und Nacht pfiffen die Lokomotiven, rollten die schwerbeladenen Züge mit singenden, geschmückten Soldaten, mit hochgeschichteten Heuballen, brüllendem Schlachtvieh, sorgfältig verschlossenen, finsteren Wagen mit Munition zur Front hinaus; krochen langsam die anderen heimwärts, gezeichnet mit dem blutenden Kreuz, das der Krieg über Wände und Insassen geworfen. Mit Raseschritten durcheilte die große Wut das Städtchen, ohne seine Ruhe verscheuchen zu können, als hätten die niederen, hell getünchten Häuser mit den zopfig verschnörkelten Fassaden stillschweigend das kluge Übereinkommen getroffen, den anspruchsvollen, lärmenden Gesellen, der da das unterste zu oberst kehrte, vornehm zu ignorieren. In den Anlagen spielten die Kinder ungestört mit den großen, rostroten Blättern der alten Kastanien, Frauen standen schwatzend vor den Ladentüren, in jedem Gäßchen schwebte irgendwo ein Mädchen mit buntem Kopftuch, und rieb eine Fensterscheibe blank. Trotz der Spitalfahnen, die auf Schritt und Tritt von den Häusern wehten, trotz der vielen Tafeln, Aufschriften und Wegweiser, die der Eindringling dem wehrlosen Städtchen ins Antlitz geheftet, schien da, kaum fünfzig Kilometer hinter dem Gemetzel, dessen Schein, in klaren Nächten, wie Theaterfeuer über den Horizont zuckte, der Frieden immer noch in Permanenz. Wenn, für Augenblicke, der Strom der schweren, fauchenden Kraftwagen und rasselnden Fuhrwerke versiegte, kein Zug über die Eisenbahnbrücke polterte, und zufällig auch kein Trompetensignal und kein Säbelklirren kriegerisch tat, dann steckte das trotzige kleine Nest blitzschnell sein gutmütig-stumpfsinniges Provinzgesicht auf, um sich vor dem nächsten Generalstabsauto, das mit wichtigtuerischer Schnelle um die Ecke bog, resigniert hinter die schlechtsitzende Soldatenmaske zu verkriechen.

Kund*innenbewertungen von Menschen im Krieg



Ähnliche Bücher finden
Das Buch Menschen im Krieg ist in den folgenden Kategorien erhältlich:

Willkommen bei den Tales Buchfreunden und -freundinnen

Jetzt zum Newsletter anmelden und tolle Angebote und Anregungen für Ihre nächste Lektüre erhalten.