Über Träume ohne Schlaf
Wenn es stimmt, dass die Frau das Ausland des Mannes ist, sollte er da nicht in die Ferne schweifen, um ihr näher zu kommen? Dort darf er als Fremder auch einmal etwas nicht verstehen. Zuhause heißt es doch gleich, er sei hinter dem Mond.
Diesem Negativum setzen die hier versammelten Geschichten das Wunder des Erzählens entgegen: Sie begreifen den Irrtum, die Verwirrung, das Nichtverstehen und die Unsicherheit ihrer männlichen Helden als wundervolle Chance, hinzusehen und hinzuhören und Frauen zu verstehen als Geschichte, die sich in Worten, Taten, Gesten, Mimik und ihrem Gegenteil erzählen will ¿ und erkennen dabei, dass es manchmal das Beste ist, die Klappe zu halten und einfach zuzuhören.
Immer spielt Fremdheit im umfassenden Sinne eine große Rolle. Zum Beispiel in den Geschichten, die einer eigensinnigen Bulgarin in den Mund gelegt sind, die nicht erst ihre hellseherischen Fähigkeiten entdecken muss, um in nichts den Erwartungen an eine bulgarische Frau zu entsprechen.
In der Erzählung Sauberkeit ist das ethnisch-rassistische Motiv im Grunde nur Nebenaspekt ¿ in Wirklichkeit verteidigen in dieser Geschichte zwei Frauen, wie sie gegensätzlicher nicht sein können, durch ihr je eigenes Verständnis von Sauberkeit ihre Menschenwürde.
In den Geschichten mit männlichen Protagonisten geht es um die andere Seite der Peinlichkeit: Nur wer alle Verhaltensgewissheit verloren hat und die Flucht nach vorn antritt, ins Unbegriffene reiner Erfahrung, kann an unvermuteter Stelle auch einmal schöne Überraschungen erleben: Wunder, die ihm vorkommen, wie Träume ohne Schlaf.
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