Über ZÜRICH
Zürich als Literaturstadt hat eine offensichtliche und eine verborgene Dimension. Die offensichtliche ist das jahrhundertelange Anregen literarischer Hochleistungen. Die Manesse-Handschrift, die Idyllen Salomon Gessners, die Geheimen Tagebücher Lavaters, Gottfried Kellers Erzählungen von Seldwyla gehören dazu. Der junge Robert Walser erfuhr in Zürich die Leiden eines Büroangestellten und verarbeitete sie in seiner rätselhaften Prosa. Thomas Mann schrieb an seinem Joseph-Roman. Hugo Ball erfand Dada und James Joyce empfing in Zürich die Idee des Ulysses. Max Frisch begab sich auf herausfordernde Identitätssuche. Die verborgene Dimension: Kaum jemand verortet diese Vielfalt in Zürich. Als europäisches literarisches Zentrum macht sich Zürich klein. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert war Zürich Station auf der klassischen Bildungsreise, ein Zwischenhalt auf dem Weg nach Italien. Es kamen junge, idealistische Dichter: Friedrich Gottlieb Klopstock und Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe, Nikolai Karamsin und Lew Tolstoi. Vor und während dem 1. Weltkrieg war Zürich ein heimliches Laboratorium der Moderne. Und mit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland kamen starke Emigrantenströme. Autoren wie Thomas Mann und Kurt Tucholsky und viele andere ließen sich vorübergehend in Zürich nieder. Robert Musil vollendete hier Der Mann ohne Eigenschaften. Für alle war Zürich Zufluchtsort, zuletzt für Dissidenten aus Osteuropa, die in der neutralen Schweiz den Übergang in ein neues Leben suchten. Sie fanden in der Stadt am See die privaten Züricher Freundeskreise und literarischen Salons, eine lebendige literarische Landschaft mit Lesegesellschaften und Diskussionsrunden, Theatern und Cafés.
Steffi Memmert-Lunau begibt sich auf die Spuren der Dichter in Zürich. In lebendigen und kenntnisreichen Essays erzählt sie ihre Geschichten. Angelika Fischer folgte diesen Spuren mit der Kamera und hielt die literarischen Schau-
plätze Zürichs in atmosphärisch dichten, faszi-
nierenden SW-Aufnahmen fest, die diesem großen Buch vom Zürich der Dichter eine eindringliche Bildebene hinzufügen.
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