Über Zusammenhange zwischen Individualisierung und Neoliberalismus
Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Soziologie - Soziales System und Sozialstruktur, Note: 1,0, Johannes Kepler Universität Linz (Soziologie), Veranstaltung: Themen der theoretischen Soziologie, Sprache: Deutsch, Abstract: Wir befinden uns in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen und
Verunsicherungen. Unsere Zeit ist durch den Bedeutungsverlust und die Erosion von
traditionellen Sozialformen wie Ehe, Familie, Klasse, Schicht, Beruf in den westlichen
Industrieländern gekennzeichnet. Unter dem politisch eingefärbten Schlagwort der
Flexibilisierung findet im Zeitalter des flexiblen Kapitalismus eine Erosion des
Normalarbeitsverhältnisses statt; typische Karrieremuster verschwinden, die Menschen
müssen kurzweiligen und sprunghaften Jobbeschäftigungen nachgehen. Dieser Verlust der
Existenzsicherheit führt zu Konkurrenzkampf und ebenfalls zum Verlust von
klassenstabilisierenden Sozialidentitäten.
Das Phänomen, welches für diese Entwicklung verantwortlich ist, hat, worauf ich im
Anschluss noch näher eingehen werde, weitreichendste Folgen und wird gewöhnlich unter
dem Begriff ¿Individualisierung¿ subsumiert und so zu erklären versucht. Bei anderen,
marxistisch fokussierten Autoren, wie zum Beispiel Ben Diettrich werden die gegenwärtigen
Prozesse mit dem Titel des Gesamtkonzepts ¿Klassenfragmentierung im Postfordismus¿
zusammengefasst, worauf ich aber im Verlauf meiner Arbeit im Anschluss noch näher
eingehen werde. (vgl. Diettrich; Ben (1999): Klassenfragmentierung im Postfordismus; Unrast, Hamburg-Münster, S. 11)
Hinter dem Schlagwort ¿Individualisierung¿ steht die These des Verschwindens sozialer
Klassen und Schichten und der damit verbundenen partikularen Lebens- und
Bewusstseinsformen. (vgl. Mörth, Ingo (2006): Paradigmen der Gegenwartssoziologie- Ein Reader; Linz, S. 237)
Individualisierung unter den heutigen kombinierten Bedingungen von wachsender Armut und
Massenarbeitslosigkeit ist ein Garant zur Sicherung und Stabilisierung der neoliberalistischen
Dominanz, deren Zeitalter einher geht mit dem zunehmenden Absterben und der Rückbildung
des Staates, der sich immer mehr aus seinen sozialen Aufgaben (dem Bildungsauftrag, der
Gesundheitsfürsorge und der Daseinshilfe) zurückzieht und diese nicht mehr wahrnimmt. (vgl.
Bourdieu, Pierre (1998): Gegenfeuer. Gegen die neoliberale Invasion; Konstanz, Universitätsverlag Konstanz, S.43)
Die permanent drohende Armut und Arbeitslosigkeit schafft ein Klima der Angst und lässt die
Menschen untereinander konkurrieren um am Arbeitsmarkt zu bestehen, was den
Individuationsprozess durch verschwinden von Klassensolidarität und wiederum dadurch den
Sozialabbau weiter anpeitscht. [...]
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