Über Der Sommer des Großinquisitors
Helmut Lethen stößt auf eine Gestalt, die ihn in den Bann zieht: den Großinquisitor, der in der gleichnamigen Legende Dostojewskis den auf die Erde zurückgekehrten Jesus zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Diese realpolitische Verkörperung des Bösen wird zum Ausgangspunkt und Begleiter, wenn Lethen den Bogen schlägt von den Schwarzen Messen des Fin de Siècle über den Kult des Bösen in den historischen Avantgarden und die französischen «Salonnihilisten» bis in unsere Gegenwart. Denn siehe da: Der Großinquisitor geistert durch die Schriften der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, als Denkfigur der Realpolitik bei Max Weber, als regelrechtes Idol bei Carl Schmitt und bei Helmuth Plessner. Noch in Arthur Koestlers Renegaten-Roman «Sonnenfinsternis» tritt eine Art Inquisition auf und mit ihr das Grauen der Verfolgung politischer Gegner in der Sowjetunion. Wo immer der Großinquisitor auftaucht, wird in Lethens bestechenden Lektüren nicht nur das kalte, moralbefreite Denken erfahrbar, sondern auch die dahinterstehenden historischen Verwerfungen und Brüche.
Ein meisterhafter Essay über Macht und Moral - und ein aufregender Ritt durch die Literatur, Philosophie und Geschichte des 20. Jahrhunderts.
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