Über Der tätowierte Mann
DER TÄTOWIERTE MANN ist ein literarisches Produkt, das sich sehr frei auf eine Reihe von Interviews bezieht, die der Autor Peter Wortsman 1975 in Wien mit Zeugen und Überlebenden der schlimmsten Exzesse der westlichen Zivilisation durchgeführt hat. Wortsman hat dieses Material vom Band und aus der Erinnerung transkribiert, übersetzt und bearbeitet und war damit zugleich Sekretär mittleren Alters für sein 23-jähriges Ich, nahm den Faden dort auf, wo der junge Mann ihn verlor. Es war schmerzlich, den auf Band aufgenommenen Austausch wieder zu durchleben, schmerzlich wegen der gnadenlosen Direktheit seiner Gesprächspartner, aber ebenso wegen der Unzulänglichkeit des Autors, seiner Reaktionen und der langen Zeit, die er brauchte, um etwas daraus zu machen. Das Thema war einst ein Tabu, das man am liebsten gar nicht anrührte; doch inzwischen bekam es ein bleischweres Etikett, wurde idealisiert und auf ein Podest gehoben, von Scheinwerfern durchbohrt, zur moralischen Aufrüstung mit Fackeln beleuchtet, voller Ehrfurcht, die früher der Kreuzigung vorbehalten war, geradezu heiliggesprochen. Dieses Stück ist den Dingen gewidmet, die ungesagt blieben.
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