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Die Jungfrau von Treiden

Über Die Jungfrau von Treiden

Zu dir, Livonen-Schweiz, hinan, Und deiner Vorzeit Leben: Lass mich, auf Clio's treuer Bahn, Den Sänger-Flug erheben! Wo schimmern dort, von Sonnengold Und Abendroth beschienen: Kremon, Thoreida, Segewold, In klagenden Ruinen; Wo seit dem Blutwerk' ihrer Schlacht, Herab in Blumen-Auen, Von ihrem Thurm bei Mitternacht, Die todten Ritter schauen; Wo Feinde nun ein Grab versöhnt; Und, auf der Vorwelt Leichen, Der Hügelreihen Stirne krönt Ein Bürgerkranz von Eichen; Wo Flora's holde Kinder mir Das Pfühl zum Lager breiten; Pomona dort, und Ceres hier, Ein Erntefest bereiten; Wo nach Mäander-Krümmen-Tanz Des Stromes, die Najade, Bei lauer Welle Silberglanz, Dem Amor winkt zum Bade; Wo aus der Felsengrotte spricht Der Heidenwelt Sibylle; Und bei Dryaden Kränze flicht Die Muse der Idylle; Wo hell, zum Morgenstern empor, Der Haine Lieder wallen; Und Wehmuth schwelgt im Tausendchor Von Hölty-Nachtigallen: Zu dir hinan, Livonen-Schweiz! Nach deiner Vorzeit Leben, Und deiner Anmuth Blüthenreiz', Will ich den Flug erheben. Thoreida sei des Fluges Ziel! Asträa soll mich führen! Ein Opfer, das dem Herrn gefiel, Soll tief die Seele rühren! Nicht Männer aus der Ritter Zahl, Gegossen wie von Eisen; Nicht Helden von Granit und Stahl, Will meine Harfe preisen: Der Weltgeschichte stolze Macht Hat ihren Kranz gewunden; Sie kann nicht leben ohne Schlacht, Nicht ohne Völker-Wunden! Ihr Griffel hat so manchen Wicht Gigantisch aufgemessen; Und mancher stillen Grösse Licht, Das Welten strahlt, vergessen! Die Jungfrau, die mein Lied erkor, Zum Preis und Ehrenmale: Sie trat aus öder Nacht hervor; Nicht aus dem Marmorsaale. Es war, in Gottes freier Luft, Ein Schlachtfeld ihre Wiege; Das Brautgemach die Todtengruft; Ihr Tod ein Sieg der Siege! Hat gross in Rom Lucretia Die Schmach in Blut begraben: So steht die Deutsche grösser da, Und fleckenlos erhaben. Entweiht nur sank in Todeshand Die römische Matrone: Doch sie, Livona's Tochter fand, Im Tod die Martyrkrone! Dort muss ein Frauentod dem Staat' Die Freiheit vorbereiten: Doch meiner Jungfrau Heldenthat Entschwand dem Buch' der Zeiten! Sie lag, im Zweijahrhundertlauf', Der Nächte Nacht zum Raube; Da stieg sie neuem Leben auf, Aus Moderschutt und Staube. Und Jener, dem die That gelang, Der Welt sie neu zu geben: Er möge nun im Lobgesang, Wie seine Jungfrau, leben!

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  • Sprache:
  • Deutsch
  • ISBN:
  • 9791041907816
  • Einband:
  • Taschenbuch
  • Seitenzahl:
  • 86
  • Veröffentlicht:
  • 19. Februar 2023
  • Abmessungen:
  • 170x6x220 mm.
  • Gewicht:
  • 149 g.
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Beschreibung von Die Jungfrau von Treiden

Zu dir, Livonen-Schweiz, hinan, Und deiner Vorzeit Leben: Lass mich, auf Clio's treuer Bahn, Den Sänger-Flug erheben! Wo schimmern dort, von Sonnengold Und Abendroth beschienen: Kremon, Thoreida, Segewold, In klagenden Ruinen; Wo seit dem Blutwerk' ihrer Schlacht, Herab in Blumen-Auen, Von ihrem Thurm bei Mitternacht, Die todten Ritter schauen; Wo Feinde nun ein Grab versöhnt; Und, auf der Vorwelt Leichen, Der Hügelreihen Stirne krönt Ein Bürgerkranz von Eichen; Wo Flora's holde Kinder mir Das Pfühl zum Lager breiten; Pomona dort, und Ceres hier, Ein Erntefest bereiten; Wo nach Mäander-Krümmen-Tanz Des Stromes, die Najade, Bei lauer Welle Silberglanz, Dem Amor winkt zum Bade; Wo aus der Felsengrotte spricht Der Heidenwelt Sibylle; Und bei Dryaden Kränze flicht Die Muse der Idylle; Wo hell, zum Morgenstern empor, Der Haine Lieder wallen; Und Wehmuth schwelgt im Tausendchor Von Hölty-Nachtigallen: Zu dir hinan, Livonen-Schweiz! Nach deiner Vorzeit Leben, Und deiner Anmuth Blüthenreiz', Will ich den Flug erheben. Thoreida sei des Fluges Ziel! Asträa soll mich führen! Ein Opfer, das dem Herrn gefiel, Soll tief die Seele rühren! Nicht Männer aus der Ritter Zahl, Gegossen wie von Eisen; Nicht Helden von Granit und Stahl, Will meine Harfe preisen: Der Weltgeschichte stolze Macht Hat ihren Kranz gewunden; Sie kann nicht leben ohne Schlacht, Nicht ohne Völker-Wunden! Ihr Griffel hat so manchen Wicht Gigantisch aufgemessen; Und mancher stillen Grösse Licht, Das Welten strahlt, vergessen! Die Jungfrau, die mein Lied erkor, Zum Preis und Ehrenmale: Sie trat aus öder Nacht hervor; Nicht aus dem Marmorsaale. Es war, in Gottes freier Luft, Ein Schlachtfeld ihre Wiege; Das Brautgemach die Todtengruft; Ihr Tod ein Sieg der Siege! Hat gross in Rom Lucretia Die Schmach in Blut begraben: So steht die Deutsche grösser da, Und fleckenlos erhaben. Entweiht nur sank in Todeshand Die römische Matrone: Doch sie, Livona's Tochter fand, Im Tod die Martyrkrone! Dort muss ein Frauentod dem Staat' Die Freiheit vorbereiten: Doch meiner Jungfrau Heldenthat Entschwand dem Buch' der Zeiten! Sie lag, im Zweijahrhundertlauf', Der Nächte Nacht zum Raube; Da stieg sie neuem Leben auf, Aus Moderschutt und Staube. Und Jener, dem die That gelang, Der Welt sie neu zu geben: Er möge nun im Lobgesang, Wie seine Jungfrau, leben!

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