Über Die schöne Kastellanin
" An einem nebligen Spätherbstmorgen des Jahres 1849 rollte aus dem steirischen Alpenorte Obdach ein leichtes Steirerwäglein die Straße entlang ¿ in die weite Welt. Darauf saßen zwei Knaben in grauen Zeuggewändlein, wie es Bauernstudenten haben, wenn sie in die »Studie« gehen.
Der eine blickte mit seinen braunen Augen, auf denen noch die Schatten des Abschiedes von daheim lagen, gegen den Himmel und sagte nach einer Weile betrübt: »Rudolf, es wird regnen!«
»Hans, es wird nicht regnen!« gab der andere zurück, »morgen ist Vollmond, da regnet es nicht.«
Und richtig war's. Als sie durch die Engschlucht unter der Ruine Eppenstein ins breite Murtal hinauskamen, löste sich der Nebel; als sie durch das alte Städtchen Judenburg fuhren, zeigte der Himmel die ersten blauen Scharten; als sie an der Felsenburg des streit- und sangeslustigen Ulrich von Lichtenstein vorüberrollten, blaute das ganze Firmament in herbstlicher Reine. So ging's zwischen den schönen Bergen dahin, und als es abendlich wurde, sind die jungen Reisenden eingezogen in das ehrwürdige Benediktinerstift zu St. Lambrecht. Daselbst waren sie aufgenommen, um als Schüler den Wissenschaften der Welt obzuliegen und als hellstimmige Chorknaben das Lob Gottes zu singen.
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