Über Entwicklung und Verifikation virtueller Methoden zur Bewertung des Mündungsgeräusches von Fahrzeugabgasanlagen
Die simulative Prognose des Mündungsgeräusches von Fahrzeugabgasanlagen stellt ein essentielles Auslegungswerkzeug dar, um den vielseitigen akustischen Anforderungen in der modernen Fahrzeugakustikentwicklung gerecht zu werden. Ein hierfür etablierter methodischer Ansatz ist die eindimensionale nichtlineare Gasdynamiksimulation im Zeitbereich. Während mit dieser Methode schnelle Simulationen bei geringem Rechenaufwand möglich sind, gehen damit aufgrund der implizierten eingeschränkten eindimensionalen Abbildung der Strömungsvorgänge ebenfalls verschiedene Restriktionen im Prognoseumfang einher. Aufgrund der kontinuierlich steigenden akustischen Anforderungen, sowohl aus Kundensicht als psychoakustischer Qualitätsaspekt als auch hinsichtlich gesetzlicher Vorschriften, ist für die zukünftige adäquate und zielgerichtete Entwicklung des Mündungsgeräusches eine deutliche Erweiterung des numerischen Prognoseumfanges notwendig. Für die vollständige Abbildung der akustischen Quellmechanismen ist es erforderlich, die Strömungsvorgänge vollumfänglich im dreidimensionalen Kontext, einschließlich derer Turbulenzinformationen, abzubilden und daraus die akustischen Quellen sowie deren Ausbreitung abzuleiten. In der vorliegenden Arbeit wird dieser zusammenhängende Themenkomplex mittels systematischer experimenteller Analysen der grundlegenden Strömungs- und Akustikmechanismen erschlossen und mit darauf aufbauenden numerischen Untersuchungen schrittweise zu einer geeigneten dreidimensionalen Prognosemethode geführt. Für die differenzierte Untersuchung der überlagerten strömungsakustischen Einzelmechanismen, die dem Entstehungsprozess des Mündungsgeräusches zugrunde liegen, wurde eine geometrische und physikalische Abstrahierung vorgenommen. Dabei wurden drei generische Untersuchungsmodelle definiert: ein gerades Rohr und zwei zylindrische Expansionskammern, die sich im Durchmesser unterscheiden. Die Modelle wurden mit zwei separierten physikalischen Eingangsrandbedingungen in Form eines stationären Massenstroms bei unterschiedlichen Machzahlen und eines pulsierenden Massenstroms bei verschiedenen Motordrehzahlen beaufschlagt. Dadurch wurde die Analyse der distinktiven akustischen Entstehungsmechanismen sowie eine schrittweise Evaluierung einer geeigneten numerischen Prognosemethode ermöglicht. Im Experiment wurden sowohl die transienten turbulenten Strömungsfelder im Freistrahl stromabwärts der Modellmündungen als auch die von dort emittierten Akustikfelder erfasst. Zur numerischen Abbildung wurden Strömungssimulationen mit hybriden DES- und LES-Turbulenzformulierungen unter Verwendung unterschiedlicher numerischer Konfigurationen durchgeführt und zur Berechnung des akustischen Signals mit der Ffowcs Williams und Hawkings Methode gekoppelt.
Anhand der experimentellen Daten zum geraden Rohr bei stationärem Massenstrom konnte gezeigt werden, dass die in der Freistrahlakustik etablierten Ähnlichkeitsspektren auch für Freistrahlen im niedrigen subsonischen Bereich basierend auf einer voll turbulenten Rohrströmung Validität besitzen. Allerdings war bei jedem Abstrahlwinkel stets eine Superpositionierung der beiden Ähnlichkeitsspektren und damit der beiden selbstähnlichen turbulenten Quellmechanismen zur Approximation der gemessenen Frequenzspektren erforderlich. Dies steht im Kontrast zu den Literaturergebnissen und konnte als Eigenschaft der in dieser Arbeit untersuchten kleinen Machzahlen identifiziert werden. Mit den dazugehörigen Simulationen konnte gezeigt werden, dass das DES-Modell in Standard-Konfiguration nicht zur Abbildung eines auf einer voll turbulenten Rohrströmung basierenden Freistrahls geeignet ist. Aufgrund einer räumlichen Verzögerung in der Entstehung aufgelöster turbulenter Fluktuationen stromabwärts der Modellmündung entstand ein Verhalten mit ähnlichen Charakteristika einer laminar-turbulenten Transition. Durch stark ausgeprägte räumlich kohärente Wirbelstrukturen führte dies zu akustischen Überhöhungen bei tiefen und mittleren Frequenzen von bis zu +12 dB/Hz. Dieser Effekt konnte durch eine numerische Konfiguration in Form einer künstlichen Reduzierung der Wirbelviskosität im Freistrahl vermieden werden, wodurch die akustischen Überhöhungen um bis zu 9.8 dB/Hz verringert wurden. Weitere Konfigurationen zeigten, dass die Form des radialen turbulenten Strömungsprofils an der Mündung sowie die Auflösung turbulenter Fluktuationen in der Grenzschicht stromaufwärts der Mündung maßgebliche Parameter für die korrekte akustische Prädiktion in mittleren und hohen Frequenzbereichen sind. Als übergreifend geeignetste Methode ließ sich schließlich die skalenauflösende Simulation der innenliegenden Rohrströmung mittels WMLES und synthetischer Eingangsturbulenz festhalten. Die komplementären experimentellen Untersuchungen an den Modellen der Expansionskammern zeigten, dass trotz identischer Eingangsrandbedingungen deutlich erhöhte Schalldruckpegel im Mündungsgeräusch gegenüber dem geraden Rohr entstehen. Diese ließen sich auf tonale Komponenten, bedingt durch angeregte Systemresonanzen, sowie auf erhöhte breitbandige Anteile, hervorgerufen durch gesteigerte Turbulenzgrade, zurückführen. Beide Effekte zeigten dabei eine Abhängigkeit vom Kammerdurchmesser. Mit dem Übertrag der WMLES-Methode vom geraden Rohr auf die große Expansionskammer wurden sowohl im turbulenten Strömungsfeld als auch in Form der deutlich erhöhten akustischen Anregung sowie in derer Tonalität sehr gute Ergebnisse erzielt. Dies bestätigte die gute Prognosegüte dieses Ansatzes auch für komplexere Geometrien. Bei den zweiten physikalischen Eingangsrandbedingungen in Form des pulsierenden Massenstroms zeigten die experimentellen Ergebnisse ein stark tonal geprägtes Mündungsgeräusch. Dieses wies trotz niedrigerer mittlerer Machzahl eine erhebliche Erhöhung der Schalldruckpegel gegenüber dem stationären Massenstrom auf und verdeutlichte dadurch die signifikant erhöhte Effizienz eines pulsierenden Massenstroms als akustischer Quellmechanismus, der als Monopolquelle agiert. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass mit steigender Motordrehzahl eine Umverteilung der akustischen Anregung von Haupt- zu Nebenordnungen einhergeht, was auf eine Änderung der frequenziellen Aufteilung der strömungsseitigen Anregungsenergie zurückzuführen war. Die bei global stationären Randbedingungen verifizierte Simulationsmethodik des WMLES-Modells ergab auch bei pulsierendem Massenstrom sowohl hinsichtlich des erhöhten Schallpegelniveaus als auch in Bezug auf die Tonalität sehr gute Ergebnisse. Ferner stimmten die Gesamtschalldruckpegel sehr gut bis exakt mit den experimentellen Daten überein. Insgesamt ist dieser numerische Ansatz somit als geeignete Methode zur Abbildung aller grundlegenden strömungsakustischen Mechanismen des Mündungsgeräusches von Fahrzeugabgasanlagen festzuhalten.
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