Über klare konturen
Das scheinbar Selbstverständliche, unsere Wahrnehmung, ist im täglichen Leben durch den Gebrauch gleichsam verschattet. Gedichte öffnen unsere Sinne. Der junge Lyriker Nico Bleutge, ein "konsequenter Augenmensch" (Katrin Hillgruber), widmet sich in seinen Gedichten dem Sehen, Hören, Betasten, Sprechen, der "Peilung" der Blicke und dem Körperlichwerden der Worte. In den sechs Zyklen seines ersten Gedichtbandes "klare konturen" unternimmt er eine Erkundung des Blicks, die unser ganzes Sehfeld umfaßt, Natur, Landschaft - man kann geradezu von einer Neubestimmung des Landschaftsgedichts sprechen -, inmitten des von Menschen Geschaffenen, um dann den Körper, den physischen und den sprachlichen, zu vermessen. Skulptur- und Gemäldeskizzen, die den Raum der Geschichte mit ihrem Rhythmus öffnen, und poetische Momentaufnahmen leiten über zum letzten Kapitel "die verschütteten wege", das am Beispiel des Neuen Gartens in Potsdam historische Spurenelemente freizulegen versucht. Feinste Spuren, die der Geschichtsverlauf in der Kulturlandschaft und in den Bauten hinterließ, werden von Bleutges Gedichten genau benannt und so erst sichtbar gemacht. Eine Schule des Sehens, Hörens, Erinnerns.
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