Über Politische Psychologie Heute
Wie es der Mangel der Sozialwissenschaften ist, daB sie der psychologischen Seite gesellschaftlicher und politischer Prozesse keine Aufmerksamkeit schenk en, so ist es umgekehrt ein Mangel der Psychologie, daB sie dazu neigt, ihren Gegenstand von allen sozialen und geschichtlichen Bezugen zu isolieren. Das gilt so gar fur jenen Zweig der akademischen Psychologie, der sich unter der Bezeichnung Politische Psychologie in den USA schon seit langem groBes Ansehen erworben hat und sich in den letztenJahren auch in der Bundesrepublik starker hat etablieren konnen. Wo die Sozialwissenschaften die Gesellschaft auf ein auBeres Zwangsverhaltnis reduzie ren, da lost diese traditionelle Politische Psychologie die gesellschaftliche und poli tische Objektivitat in ein Verhaltnis zwischen Individuen auf. Sie entwickelt Parame ter fur Arbeitszufriedenheit und Resignation, fur Materialismus und Postmaterialis mus, fur Konventionalismus und Idealismus, ohne diese Bestimmungen auf objek tive Zwange, Versagungen und Anpassungsleistungen, die sie erst verstandlich ma chen wurden, zu beziehen. Ihr Ideal ist es, jeden Pendelschlag des menschlichen Ver haltens und Denkens zu quantifizieren und tabellarisch festzuhalten. So verwandelt sie die Gesellschaft in ein Konglomerat von abfragbaren subjektiven Meinungen und Werthaltungen und versteht unter Politischer Psychologie folgerichtig nichts ande res als eine wissenschaftliche Technik der Meinungsumfrage. Der kritischen Politis chen Psychologie, wie sie im vorliegenden Band prasentiert wird, liegt ein anderes Selbstverstandnis zugrunde.
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