Über Ständig in Angst gelebt
Else Büchler (geb. Cahn) aus Buchau am Federsee war die einzige Jüdin, die durch ihren persönlichen Mut und nicht zuletzt auch durch den Mut ihres "arischen" Mannes Ludwig Büchler in einer vom NS-Regime sogenannten "privilegierten Mischehe" nicht nur vor der weitgehend tödlich endenden Deportation der Konstanzer Jüdinnen und Juden am 22. Oktober 1940 bewahrt blieb, 1942 in Konstanz außergewöhnlich mutig sogar eine Tochter zur Welt brachte und vor allem die NS-Zeit in Konstanz überlebte.
Dieses bisher unveröffentlichte Gespräch aus dem Jahr 1988 gehört zu einer Serie von Interviews, die ich in den folgenden drei Bänden veröffentlicht habe und stellt gewissermaßen deren Schlusspunkt dar: (1) Erhard Roy Wiehn (Hg.), Jüdische Rückblicke auf die deutsch-schweizerische Grenzregion am Bodensee im 20. Jahrhundert - Gespräche in Israel, Konstanz und Kreuzlingen. Konstanz 2012; (2) derselbe (Hg.), Überall nicht zu Hause - Jüdische Schicksale im 20. Jahrhundert mit Überlebenden in Konstanz. Konstanz 2012; (3) ders. (Hg.), Nirgends gern gesehen - Jüdische Schicksale im 20. Jahrhundert. Gespräche mit Überlebenden in Konstanz und in der Schweiz. Konstanz 2015.
Dieses einzigartige Gespräch mit Else Büchler zeigt, dass es in ganz ausnahmsweisen Fällen zwar mit dauernder Angst, aber mit noch mehr Mut einer Jüdin möglich war, dem NS-Regime zu trotzen und die ständigen lebensbedrohlichen Gefahren zu überleben. Dieses Gespräch zeigt jedoch auch, wie bösartig und gehässig NS-Nachbarn, Arbeitskollegen und Vorgesetzte sein konnten, dass es aber auch hilfsbereite Nachbarn, einen verlässlichen Metzger, eine standhafte Putzfrau, einen treuen Frauenarzt, liebenswürdige Krankenschwestern und einfallsreiche Paradiesler Gemüsebauern gab, die sich eine erstaunlich mutige Menschlichkeit gegenüber einer bedrohten und verfolgten Jüdin bewahrt hatten.
Ihnen zu Ehren und als Mahnung in einer Zeit neuer alter antijüdischer Umtriebe in Deutschland und Europa publizieren wir diese kleine Schrift gerade jetzt.
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