Über Zinzendorfs Rhetorik
Gibt es eine pietistische Rhetorik? Diese Frage beantwortet David Keller am Beispiel des Gründers der Herrnhuter Brüdergemeine, Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760), positiv. Seine rhetorische Ausbildung erhielt Zinzendorf am Königlichen Pädagogium in Halle, in der Schulstadt August Hermann Franckes (1663-1727). In der Entwicklung seiner eigenen Rhetorik sind wesentliche Einflüsse des Radikalpietisten Gottfried Arnold (1666-1714) zu erkennen. Anhand der vielen überlieferten Reden und Predigten Zinzendorfs lässt sich ein hohes Bewusstsein für Rhetoriktheorie und Methodik rekonstruieren, so dass das Predigtverständnis des Herrnhuters und seine spezifischen Gliederungsmethoden sichtbar gemacht werden können. David Keller zeigt, dass die vehementen antirhetorischen Aussagen Zinzendorfs selbst eine rhetorische Funktion erfüllen.
Die umfangreiche Analyse erfolgt dabei auch mit Blick auf die Homiletik der lutherischen Orthodoxie und der Aufklärung, um den Umbruch des ästhetischen Paradigmas von Barockkultur hin zum Pietismus und zur Aufklärung nachzuvollziehen. Abschließend werden die Ergebnisse der historischen Betrachtung mit den Diskussionen um Rhetorik in der Homiletik und die Debatte um die freie Kanzelrede des 20./21. Jahrhunderts konfrontiert.
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