Über Zwischen Wut und Verzweiflung
Berghofer gehört zu den namhaften Akteuren der Wendezeit. Als Dresdner OB suchte er als einer der ersten DDR-Politiker das Gespräch mit der Opposition. Er wurde stellvertretender Parteivorsitzender der SED-PDS und wollte mit Aplomb und Gefolge im Januar 1990 der SPD beitreten, was die ostdeutschen Sozialdemokraten verhinderten. Berghofer zog sich aus der Politik zurück und ging in die Wirtschaft. Seine Nähe zu konservativen westdeutschen Politikern und Unternehmern wurde ihm von vielen Ostdeutschen mindestens so kritisch vorgehalten wie seine Lossagung vom Sozialismus. Inzwischen sitzt er, von ihm durchaus gewollt, zwischen allen Stühlen, weil er ein entschiedener Befürworter der Zusammenarbeit mit Russland war und ist. Aus Anlass seines 80. Geburtstages im Februar 2023 zieht er Bilanz über sein Leben, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Nachdem er bereits über seine Zeit in der DDR geschrieben hat (»Keine Figur im Schachspiel«, 2014), konzentriert er sich in seinem neuen Buch auf die letzten dreißig Jahre. Es ist eine kritische Abrechnung mit dem kapitalistischen System, dem er in seiner derzeitigen Verfassung keine Chance gibt. Berghofer berichtet über seine Erfahrungen als Unternehmensberater, von der allmächtigen Bürokratie und der Stagnation des Beamten- und Gerichtsstaates Bundesrepublik Deutschland. Er kann vergleichen, denn er kennt beide Systeme - von unten wie von oben. Berghofer ist ein exzellenter Analytiker und in Maßen exzentrischer Mensch, eben ein Zeitgenosse und Zeitzeuge der ungewöhnlichen Art. Er selbst nennt sich einen grimmigen Optimisten.
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