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  • von Honore De Balzac
    20,00 €

    Balzacs Exzesse mit Kaffee bei der nächtlichen Schreibarbeit an seiner monumentalen Menschlichen Komödie sind legendär. Weniger bekannt ist, dass dieser berühmteste Kaffeetrinker der europäischen Literatur 1839 eine Abhandlung über moderne Stimulanzien veröffentlicht hat, die als eine allgemeine Physiologie der Exzesse mit den Genussmitteln und Drogen der westlichen Zivilisation angelegt ist. Balzac sucht hier das Umschlagen von Lust in Qual zu fassen, angesichts der fatalen Spiralbewegung, die den Menschen vom bewussten Akt des Genießens zur willenlosen Hingabe an die Sucht treibt. Dabei testet der Schriftsteller seine vielfach bis heute gültigen Grundaxiome auch anhand einer Reihe von Selbstexperimenten mit Wein, Kaffee und Tabak. Doch Balzac ist sich bewusst, dass sich die Folgen des Konsums nicht auf die Person beschränken. Denn auch die Geschicke eines ganzen Volkes hängen offenbar von seiner Ernährungsweise ab - so mag Russland eine durch den Alkohol aufrechterhaltene Autokratie sein, und wer weiß, ob der übermäßige Schokoladenkonsum nicht eine entscheidende Rolle beim Niedergang des spanischen Imperiums gespielt hat.Balzacs Abhandlung über moderne Stimulanzien bietet demgegenüber einen vollkommen risikofreien Lesegenuss. Neben diesem hier erstmals separat edierten Stück der Analytischen Studien enthält der Band auch den bisher unübersetzten Text »Das Opium«, der ihn in einem faszinierenden Dialog mit dem bekennenden englischen Opiumesser Thomas De Quincey zeigt.

  • von Julien Gracq
    20,00 €

    Julien Gracq war der große Einzelgänger der französischen Literatur, der durch seine legendäre Ablehnung des renommierten Prix Goncourt berühmt wurde. Als er 2007 im Alter von 97 Jahren verstarb, verfügte er, dass seine 29 mit »Randnotizen« betitelten Hefte nicht vor 2027 herausgegeben werden - sicher mit Rücksicht auf Zeitgenossen, die darin vorkommen. Der Nachlass birgt jedoch einen weiteren Schatz, zu dem uns kein Verbot den Zugang verwehrt: Die Lebensknoten, hellsichtige und geistreiche Beobachtungen über Landschaften und Mentalitäten, die Moden der Zeit, Politik und Geschichte, die Literatur, das Schreiben. Sie reichen von der sinnlichen Beschreibung des Pays de la Loire über die Erklärung der sonderbaren Autorität von Bauernregeln bis hin zu Reflexionen über Tolkiens Herr der Ringe. Und auch in diesen Texten teilt Gracq hin und wieder ordentlich aus, etwa wenn er die englische Sprache mit einem Dosenöffner vergleicht oder die Schweiz als »Europas Bankschließfach« ironisiert.Gracqs sprachlich umwerfend geflochtene Lebensknoten sind der Versuch, die Wahrnehmung der Welt zu verdichten und einen engen, sinnlichen Kontakt mit ihr zu knüpfen. Sie lassen einen schmunzeln über die Angriffe einer Feder, die so scharf ist wie ein Säbel, und staunen über den Weitblick eines Mannes, der von seinem Balkon an der Loire aus die Entwicklung der Welt voraussieht.

  • von Phillis Wheatley
    22,00 €

    Als Phillis Wheatley 1773 ihr Buch Poems on Various Subjects, Religious and Moral veröffentlichte, schrieb sie in mehrfacher Hinsicht Geschichte. Sie war die erste afroamerikanische Person, die einen Gedichtband publizierte. Und sie war Sklavin. Wheatleys Weg vom entführten Kind aus Westafrika zur Begründerin der afroamerikanischen Literatur war hindernisreich. Dass eine afroamerikanische Person Gedichte verfassen könne, musste der weißen Leseöffentlichkeit erst einmal bewiesen werden. Und auch die Kritik des publizierten Bandes war von rassistischer Abwertung geprägt - zu ihren größten Kritikern gehörte kein geringerer als Thomas Jefferson. Die Dichterin Wheatley orientiert sich formal am britischen Klassizismus, doch sie spricht mit eigenständiger Stimme und zeigt sich selbstbewusst in ihrer afroamerikanischen Identität. Sie macht sich für die Unabhängigkeit Amerikas von den Briten stark und entlarvt zugleich die Doppelmoral einer Sklavenhaltergesellschaft, die auf Freiheit pocht. Ihre hingebungsvolle Religiosität und Sehnsucht nach Transzendenz erhält im Hinblick auf das Leid der afroamerikanischen Bevölkerung besondere Bedeutung.Im Kanon der US-Literatur ist die Pionierin Wheatley inzwischen längst etabliert. Zum 250. Publikationsjubiläum ihres Gedichtbands wird ihr bahnbrechendes Werk und ihr bewegendes Leben endlich auch dem deutschen Lesepublikum zugänglich.

  • von Esther Kinsky
    18,00 €

    Er entspringt in den friulanischen Dolomiten an der Grenze zu Venetien, fließt durch die abfallenden karnischen Alpen und mündet nach einer Strecke von 170 Kilometern in die Adria - der Tagliamento ist der letzte wilde, unregulierte Fluss Europas. Esther Kinsky folgt schreibend seinem schmalen, silbrigen Lauf, schreitet durch karge Mondlandschaften und Schwemmwiesen, über Kieskämme und Sandbänke, lauscht dem Rohrsänger und Kiebitz, entdeckt Wolfsmilch und Lichtnelken. Sie hört dem Wasser zu, liest im Stein und betrachtet das Spiel von Licht, Schatten, Farben. Als wissensdurstige Forscherin taucht sie tief in die Materie ein - und tritt zugleich zurück: Durch die Genauigkeit und Sinnlichkeit ihrer Sprache, die aus einem ungeheurem Wortreichtum schöpft, bringt sie die Natur selbst zum Sprechen.In FlussLand Tagliamento, einer harmonischen Verquickung von Prosa und Poesie, fasst Esther Kinsky die ungezähmte Landschaft ihrer norditalienischen Wahlheimat in skizzenhafte, hochpoetische Sprachaquarelle. Begleitet mit atmosphärischen Birnholzschnitten von Christian Thanhäuser ist dieser Band eine Hommage an ein einzigartiges Ökosystem, das durch die zunehmenden Eingriffe des Menschen immer stärker vom Verschwinden bedroht ist.

  • von John Milton
    28,00 €

    Paradies verloren ist die Geschichte vom biblischen Sündenfall. Ab dem ersten Vers strebt dieses spiegelbildlich zweigeteilte Epos in zwölf Büchern dem Akt des ersten Ungehorsams zu. Wird im ersten Teil vom Zustand vor der Erschaffung der Welt erzählt und in einer Rückschau vom Geschehen, das zu Satans Sturz führte, so wird im zweiten Teil von den Ereignissen berichtet, die zum Fall der Menschen führen, und in einer Vorschau von der Geschichte nach dem Sündenfall. In heiterer Aufbruchstimmung werden Adam und Eva in eine Welt losziehen, die vom freien Willen bestimmt ist. John Milton, der seine Dichtung nicht nur neben die Schöpfungsgeschichte stellte, sondern diese auch zu korrigieren wagte, will göttliche Vorsehung begründen: Aus Bösem entsteht Gutes. Er bricht in seinem großen Gesang mit allen Regeln seiner Zeit, lässt vertrauten Satzbau und alle »Fron des Reimens« hinter sich. Der Held mit perfidem Plan heißt zunächst: Satan, der Widersacher mit inzestuöser Familiengeschichte, personifiziert in Sünde und Tod und in seinem Gefolge Moloch, Belial, Mammon, Beelzebub. Miltons Satan ist ein tragischer und deshalb sympathischer Held voller Selbstzweifel, der mit seinem Engelsheer heroisch gegen die göttliche Tyrannei rebelliert und durchs Chaos reist, um sein schlangenlistiges Verführungswerk zu vollführen. Paradies verloren.

  • von Irene Langemann
    30,00 €

    Eine Kleinstadt in Sibirien, 1969. Eisige Kälte. Die elfjährige Vera wird von ihren Mitschülern auf einer menschenleeren Straße angegriffen und als Faschistin beschimpft. Tief gedemütigt begibt das Mädchen sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Als ihre Mutter Anna sie in die Familiengeschichte einweiht, beginnt für Vera eine Reise in die Vergangenheit. Ihre Vorfahren, strenggläubige Mennoniten, sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Westpreußen nach Russland ausgewandert, in das Gebiet der heutigen Ostukraine. Vera erfährt die Geschichte ihrer Familie über sechs Generationen, packende Lebenswege, die sich durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit spiegeln: vom bescheidenen Wohlstand der frommen Kolonisten in der Zarenzeit über unmenschliche Entbehrungen, existenzielle Not und Diskriminierung in der Sowjetdiktatur bis hin zu den idyllischen Sommern an der Küste Georgiens in den Siebzigerjahren.Das Gedächtnis der Töchter ist die mitreißende Chronik einer deutschen Familie, die versucht, im krisengebeutelten Russland Wurzeln zu schlagen. Virtuos erklettert Irene Langemann die Ranken des Stammbaums, folgt wilden Verästelungen und lässt dabei ein eng gewobenes Geflecht aus Vergangenheit und Zukunft entstehen. Ein tiefbewegender Roman über das Suchen nach Identität in der Fremde, über die vielen Facetten von Einsamkeit und die immer neu zu schöpfende Kraft, sie zu überwinden.

  • von Susan Fenimore Cooper
    26,00 €

    Eine »schlichte Aufzeichnung jener kleinen Ereignisse, aus denen im Landleben der Lauf der Jahreszeiten besteht« nannte Susan Fenimore Cooper ihre 1850 erstmals erschienenen Stunden auf dem Lande, »eine Menge unbedeutender Beobachtungen über ländliche Themen, an die man sich später am Kamin freudig erinnert«. Doch so bescheiden sie ihr Werk zunächst auch auswies, so entschieden war das Anliegen, das Cooper darin vertrat: Mit Sorgfalt im Detail und dem geschulten Blick einer stets die Schönheit inmitten unvermeidlichen Verfalls suchenden Malerin bezeugt sie, leichtfüßig von poetischer Prosa über essayistische Einschübe hin zu dokumentarischen Passagen gleitend, den Wandel nicht nur der Natur, sondern mit Besorgnis insbesondere jenen, den das anbrechende Industriezeitalter damals bereits zu entfesseln begann. Diesen im scharfen Gegensatz zur Dauerhaftigkeit von Naturprozessen stehenden Entwicklungen setzt die Pionierin des amerikanischen Nature Writings ihren auch heute nicht minder gültigen Entwurf einer Gesellschaft entgegen, die sich durch Kenntnis der Natur und ihrer Formen dem Land in Demut und Dankbarkeit nähert und so zu Einklang zwischen Mensch, Natur und Tier führt.

  • von Martin Kölbel
    22,00 €

    Nach der gewaltvollen Eroberung Mexikos mögen die Spanier nicht schlecht gestaunt haben: Ausgerechnet eine unförmige und dornige Wüstenpflanze genoss vor Ort eine hohe, von Kult und Ritus geprägte Verehrung, ja ein ganzes Staatswesen führte seine Gründung auf sie zurück und mancherorts trank man sogar einen speziellen Kakteen-Sud, um sich in rauschhafte Ekstasen zu versetzen. Zu Hause in Europa kannte diese bedeutsamen Pflanzen jedoch bis dahin niemand. Denn Kakteen wachsen nur in Amerika endemisch. In der Evolution tauchen sie erst lange nach dem Auseinanderdriften der Kontinente auf. Ganz gleich, ob es nun ihre kultische Prominenz, ihr Anpassungsvermögen oder ihr exotischer Reiz gewesen ist, mit der Zeit weckten diese seltsamen Gewächse auch in Europa Begehrlichkeiten und eroberten nicht nur die Fantasie, sondern auch manch sonnige Stube. In seinem kundigen Portrait folgt Martin Kölbel den Kakteen auf ihrem facettenreichen Weg durch die Jahrhunderte und zeigt auf, wie stark Natur und Kultur miteinander verwachsen sind: Ein Kaktus ist niemals nur ein Kaktus. Vielmehr spiegelt er immer auch die Wünsche und Wirklichkeiten derer, die ihn kultivieren und betrachten.

  • von Andrea Grill
    22,00 €

    Diese staunenswerten, eleganten Tiere lehren uns, dass alles auch ganz anders sein kann: Dass Männchen schwanger werden können und es, anstatt Zielen hinterherzujagen, genauso lohnenswert wäre, sich treiben zu lassen. Ein Seepferdchen kann stundenlang im Seegras warten, bis Beute seines Weges kommt. Die saugt es dann mit seinem Mund wie mit einer Pipette ein. Trotzdem gelingt es den Paaren, die weitestgehend monogam leben, einander jeden Morgen wiederzufinden und zu begrüßen. Dann geht das Weibchen auf die Jagd, während das Männchen in seiner Bauchtasche die befruchteten Eier austrägt. Unter Wasser sind die Laute der farbenfroh leuchtenden Tiere, die knurrend bei Bedrohung oder Wohlgefallen klingen - oder klickend bei der Balz - für Menschen nur mit technischer Verstärkung wahrnehmbar. Aber was sind Seepferdchen nun eigentlich? »Pferdeähnliche Meereswesen«, meinte Carl von Linné, »Fische, Knochenfische, um genau zu sein«, präzisiert Andrea Grill. Die promovierte Biologin und Schriftstellerin macht sich in ihrem schillernden Portrait auf die Suche nach diesen wunderlichen Wesen des Wassers, denen trotz ihrer grammatikalischen Verkleinerungsform in unserer Sprache existenzielle Bedeutung zukommt: als mythische Gestalten, als Tiere mit utopischem Potenzial, als anmutige Überlebenskünstler - und nicht zuletzt als Gradmesser für den Zustand unserer Meere.

  • von Volker Sommer
    22,00 €

    Egal, ob wir uns zum Affen machen, vom wilden Affen gebissen sind oder jemand von einem Affen gelaust wird - es sind nicht nur die reichen Metaphern, die das Leben anderer Primaten mit unserem verbinden, sondern die ewigen Konstanten: Wohnen und Essen, Geselligkeit und Sex, Aufzucht der Jungen und der unweigerliche Tod. Welch frappierende Varianz die Evolution dabei schuf, zeigt Volker Sommer in seinem so humorvollen wie kenntnisreichen Tierportrait, das sich bewusst nicht den Menschenaffen widmet. Vielmehr sind es hier die Lemuren, die Loriartigen, die Koboldmakis sowie die Alt- und Neuweltaffen, von denen wir lernen, dass es nichts gibt, was es nicht gibt: Vielmännerei oder ewige Treue, Solosex und Weibchen, die einander umgarnen, Misshandlungen der Babys durch Mütter oder aufopfernde Vätersorge, dazu ausgefallene Ernährungsgewohnheiten, Totenwachen oder strikte Nachtaktivität. So individuell uns die Affen hier begegnen, als Madame Berthes Mausmaki, Schopfmakak oder Weißnasenmeerkatze, so eindeutig ist auch, dass es einen Menschenaffen gibt, der sie allesamt bedroht: Homo sapiens.

  • von Volker Demuth
    15,00 €

    Seit mit Aristoteles' Metaphysik der unabgelenkten Linie gegenüber der gekrümmten eine höherwertige Position zuerkannt wurde, gehört es zur wiederkehrenden Diffamierung des Mäanders, die Figuren der Abweichung als geschmeidig, adaptiv und opportunistisch, aber auch - in ihrem Emblem, der Schlange - als heimtückisch, chaotisch und böse zu brandmarken. Demgegenüber gilt die Gerade als Inbegriff historischer Vernunft, als übermächtige Ordnungsform, bei der die zum Disparaten neigende Welt zusammenläuft und zur Gesamtheit synthetisiert werden kann. Doch was, wenn sich der rationalistische Formalismus der Gerade in Wahrheit als grandios irrational und dysfunktional für das planetarische Leben erweist? Wenn sich die Verwandlung von verschlungenen Gebilden der Relationalität in effiziente Landschaften mit stringenten Planungsabläufen als Voraussetzung heutiger Katastrophen offenbart? Könnten sich uns, so fragt Volker Demuth in seinem zwischen Analytik und Geschichte, Reflexion und Erzählen pendelnden Essay, mit dem Mäander nicht Einsichten bieten in eine radikal andere kulturelle und politische Ökologie, in eine Grammatik, bei der Subjekte und Objekte nicht hierarchisiert werden? Kein Punkt an der Spitze einer imaginären Pyramide also, vielmehr ein hin und her schwingendes Beziehungsgeflecht in einem fluiden Raum.

  • von Stephan Wunsch
    25,00 €

    Ob nun die Angst vor Schlangen, die Abscheu vor Geiern oder der Ekel vor Spinnen - das menschliche Verhältnis zu vielen Tieren ist von tiefer Ablehnung geprägt. Ihr Ursprung reicht bis in eine mythische Vorzeit, in der sich der Mensch nicht zuletzt durchs Erzählen und Fabulieren von der Tierwelt losgesagt zu haben glaubte.Stephan Wunsch porträtiert zehn dieser schlecht beleumundeten, ja verrufenen Tiere. Seine Streifzüge führen ihn in das verschattete Reich boshafter Naturkunde - und in die Abgründe der menschlichen Psyche. Denn ein Bestiarium der verrufenen Tiere, das ist ein Katalog unserer Ängste, ein Spiegel unserer Unzulänglichkeiten, eine Vermessung offener Wunden - kurzum: eine hintergründige und lustvolle Menschenkunde von aasigem Geier bis falscher Schlange, von hinterlistiger Hyäne bis vampirischer Fledermaus.

  • von Thomas Schestag
    20,00 €

    In seiner Nikomachischen Ethik diskutiert Aristoteles die vollkommene oder erfüllte Freundschaft - teleía philía -  als Gesprächsgemeinschaft. Diese Diskussion zieht Thomas Schestag in ein Zwiegespräch zwischen Stimmen, die im Untergrund der Freundschaftsdiskussion - weder bloß Gespräch unter Freunden noch auch bloß ein Gespräch über Freundschaft - Spuren einer unerhörten, unerörterten Philologie freilegen: Die Freundschaft unter Menschen wird in der (von Aristoteles nur im Vorübergehen angesprochenen) Freundschaft der Dichter zu ihren Gedichten in ein Extrem getrieben, das die Sprache aus der Fassung zur Habe des Menschen schlägt und die am Eingang der Politik aufgebotene exklusive Bestimmung des Menschen zum sprachhabenden Lebewesen ruiniert. Denn die philía im Verhältnis der Dichter zu ihren Gedichten ist nicht nur nicht teleologisch, sie ist nicht einmal logisch ausgerichtet. Ihr Übermaß - das über alles, was als Sprache gilt, Sprache insbesondere als lógos aufgefasst, hinausgeht - hält den Übergang des entstehenden Gedichts zum entstandenen auf. Das Gedicht bietet nichts als diesen Aufenthalt. In ihm gewinnt eine Philologie - als Liebe zum Lesen - Kontur (ohne zustande zu kommen), die sprachlose Züge im Aufriss aller sprachlichen Gebilde freilegt. Ihr ist das Zwiegespräch gewidmet.

  • von Jurgen Goldstein
    15,00 €

    Ein Mediengewitter an Informationen, Fake News und »alternativen Fakten«, erodierende Weltbildhintergründe und Leitkulturfantasien, identitäre Selbstbehauptungen und populistische Vereinfachungen - all das sind Indikatoren für die Zumutungen eines Pluralismus, denen liberale und pluralistisch verfasste Gesellschaften ausgesetzt sind: Moderne Gesellschaften werden permanent einem Stresstest unterzogen. Jürgen Goldstein verteidigt in seinem tiefschürfenden philosophischen Essay den modernen Pluralismus und zeigt auf, warum er kein epochales Verhängnis darstellt, sondern vielmehr als Folge der modernen Freiheit verstanden werden kann - einer Freiheit, auf die auch die Gegner des Pluralen nicht verzichten wollen. In der auseinanderstrebenden Vielfalt macht er die Möglichkeit eines »vernünftigen Pluralismus« aus. Einheit und Vielfalt, Identität und Differenz, Individualismus und Gemeinschaftlichkeit: konkurrierende Ziele, die aber doch nicht unvereinbar sind, wie ein Blick in die politische Denkgeschichte zeigt, deren Ressourcen Goldstein freilegt.

  • von Panajotis Kondylis
    15,00 €

    Panajotis Kondylis, der griechische Philosoph und Ideentheoretiker, wusste: Nur durch einen totalen existenziellen Einsatz, eine wachsame Beobachtung konkreter, stets geschichtlich bedingter Situationen und lebendiger, um ihre Selbsterhaltung und dabei notgedrungen auch um die Erweiterung ihrer Macht bestrebter Menschen sowie durch eine unaufhaltsame Filtrierung der Beobachtungen mit strenger Reflexion, die vor keinem Vorurteil kapituliert und keinen Konflikt scheut, gelangt der Geist zur Reife und entgeht der normativen Bindung. In den drei in den 1990er-Jahren geführten Interviews präsentiert sich dieses Wissen in praktischer Vollendung und bietet zugleich einen grundlegenden Einstieg in das Denken Kondylis' - ein Denken, das sich Philosophie, Anthropologie, Ökonomie und Geschichte zunutze macht, ohne sich den Disziplinengrenzen zu beugen. Ein Denken, das die politisch-ideologischen Strömungen und Theorien der Vergangenheit durchleuchtet, um ihre Bedeutung für die Gegenwart und den Einfluss, den sie auf das Heute haben, offenzulegen. Ein Denken, das an kein Ende kommt und sich als ein geradezu planetarisches erweist.

  • von François Flahault
    15,00 €

    Nach westlicher Überzeugung geht das Individuum der Gemeinschaft voraus und nutzt Letztere lediglich zum eigenen Vorteil, um jene Güter produzieren zu können, die es benötigt - woraus dann eine progressive Ökonomie entstehe. Die Geschichte des Robinson Crusoe veranschaulicht diese Sichtweise perfekt: Als er allein auf seiner einsamen Insel strandete, baute er aus eigener Kraft mit den vorhandenen Ressourcen eine neue Zivilisation auf, errichtete Gebäude und hielt sich Nutztiere. Zugleich zeigt sich darin aber auch der tote Winkel des westlichen Denkens, ist Robinson doch (nicht nur) als Romanfigur das Produkt einer organisierten Gesellschaft, ohne die er nicht existieren würde. Dieses Paradox nutzt François Flahault für den Schluss, dass das Individuum aus der Gesellschaft hervorgeht, dass »Gesellschaft« die primäre »Natur« des Menschen bildet und dass es folglich an der Zeit ist, auch die Rolle der Ökonomie in der Gesellschaft neu zu denken. In dieser deskriptiven Analyse ergründet er die Ursprünge des modernen Individuums, stellt sich der Frage nach Genese und Existenz von »Kultur« und »Natur« für die Gesellschaft, übt Kritik an Marx' Verständnis von Gemeinschaft und begründet die Erkenntnis, ein neues soziales Denken sei mehr als überfällig.

  • von Élisée Reclus
    15,00 €

    Im Leben wie im Denken so radikal wie kaum ein zweiter, sind Élisée Reclus' politische, anthropologische und ökologische Schriften aktueller denn je. Nach der Freiheit des Menschen strebend, lehnt er alle Autoritäten außer derjenigen der Vernunft ab und wusste schon vor 150 Jahren, dass die Menschheit auf Gedeih und Verderb ein Ganzes mit dem Planeten bildet. Mitten in der Entstehungsphase der Moderne sieht er ihre ökologische Krise voraus und regt zur Erfindung neuer solidarischer Beziehungsformen an, die über die Menschen hinaus auch die Tiere und Pflanzen einschließen. Während Reclus dabei die ökologischen und sozialen Verheerungen seiner Gegenwart anprangert, feiert er im gleichen Atemzug und allen Widerständen zum Trotz die Fortschritte der Freiheit und die Entstehung neuer Lebens- und Sozialmodelle. Für ihn ist jede Generation die »Letzte Generation«, die aber immer auch die erste einer erlösten Erde sein kann: »Menschen des Wunsches«, wie er sie nannte, Menschen, die daran arbeiten, das Ideal einer anderen Welt und einer anderen Erde zu verwirklichen.

  • von Bernd Stegemann
    12,00 €

    Identitätspolitik ist ein sperriges Wort und viele aufgeregte Debatten kreisen darum. Keiner vermag es so recht zu erklären, dabei ist der Kern dieses Kampfbegriffs so alt wie die Menschheit. »Wir zuerst!« ist ein Schlachtruf, der zu allen Zeiten ertönt ist. »America first« ist Identitätspolitik, aber auch »Black Lives Matter« nutzt die Schlagkraft, die von dem »Wir zuerst!« ausgeht. Beiden Parolen ist eine rätselhafte Mischung aus Plattitüde und Angriff zu eigen. Natürlich zählen Schwarze Leben. Doch der Ruf wird militant, wo die Aussage »All Lives Matter« nicht mehr akzeptiert wird. Warum sollen »alle Leben« nicht zählen, und warum sollen nur »Schwarze Leben« zählen? Oder geht es darum gar nicht? Mit diesen Fragen, die ins Herz der Identitätspolitik führen, beginnt Bernd Stegemann seinen ideengeschichtlich fundierten Essay, in dem er einen Blick auf die Kipppunkte der Identitätspolitik wie Opfermanagement, Intimkommunikation, Cancel Culture, Critical Race Theory oder Wokeness wirft und die Frage nach der Zukunft des Universalismus stellt.

  • von Jule Govrin
    16,00 €

    Begehren und Wert erscheinen auf den ersten Blick als Gegensätze. Während Ersteres auf das Persönliche und Intime abzielt, beschreibt Letzteres die abstrakte Beurteilung. Doch der Gegensatz wird brüchig, sobald wir im Begehren das beständige Auf- und Abwerten anderer entdecken, und im Wert das unablässige, affektgeladene Spiel der Bewertungen. Jule Govrins fulminanter Essay Begehrenswert fragt danach, wie Begehren die wirtschaftlichen Wertordnungen durchdringt und sich ökonomische Bewertungsmuster feinstofflich in soziale Beziehungen und Selbstwahrnehmungen einschreiben - in Semantiken des Selbstwerts, auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen und unique selling points, um sich von anderen abzuheben. Der Streifzug durch die Gegenwart geht mit Abstechern in die Kapitalismus- und Sexualitätsgeschichte einher, um aufzuzeigen, wie sich Begehren an Waren, Menschen und Werte bindet. Im Dreieck von Wert, Begehren und Authentizität ergründet Begehrenswert die Matrix unserer Gegenwart - und weist zugleich im alle verbindenden Begehren nach anders gelagerten, solidarischen Beziehungsweisen den Fluchtpunkt einer emanzipatorischen Perspektive auf.

  • von Sabine Riedel
    18,00 €

    Im Sommer 2022 wurden die Deutschen mit ungewöhnlich vielen schlimmen Nachrichten konfrontiert: Krieg in der Ukraine, Energiekrise und die Aussicht auf einen kalten Winter, Klimawandel in Form eines langen, extrem heißen und trockenen Sommers, das Sterben der (Fichten-) Wälder, das Fischsterben in der Oder. Diese Häufung katastrophaler Nachrichten hat die Deutschen irritiert. Bis dahin reichlich komfortabel lebend in einem Wohlfahrtsstaat, in sozialer Sicherheit und ausgestattet mit dem Glauben an eine Zukunft, wurden in diesem Sommer viele Menschen in Deutschland zunehmend ratlos und pessimistisch. Der Sommer 2022 war ein Sommer, der gezeichnet war durch wachsende Angst und den Verlust alter Gewissheiten.So ging es auch der Autorin, die im Laufe des Sommers immer mutloser und depressiver wurde. Eines Tages machte sie sich auf, fuhr mit dem 9 Euro-Ticket quer durch die deutsche Provinz - auf der Suche nach Antworten. Was denken die Menschen? Was erwarten sie von der Zukunft? Wie der Protagonist von Christian Krachts Faserland treibt Sabine Riedel ziellos durch Deutschland und versucht, ein aktuelles Stimmungsbild des verstörten Landes zu zeichnen.

  • von Theodora Becker
    34,00 €

    Was eigentlich verkauft die Hure dem Freier? Was ist dieser »Sex«, den sie feilbietet, und woran bemisst sich sein Wert? Der Unmöglichkeit einer einfachen Antwort auf diese Fragen liegt die Ambivalenz zugrunde, mit der die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft auf die Prostituierte und ihr Gewerbe blickt. Die Hure ist in den Worten Walter Benjamins »Verkäuferin und Ware in einem«, sie verdinglicht sich zum käuflichen Objekt und bleibt doch unverfügbares Subjekt. Bis in die Debatten der aufgeklärten Gegenwart erscheint sie zugleich als preisgegebenes Opfer und arbeitsscheue Betrügerin, die Prostitution als unverzichtbare Einrichtung und zu bekämpfendes Übel. Wie sehr das auch mit dem bürgerlichen Blick auf Frauen und ihre Körper zu tun hat, der zu jeder Zeit Kontrolle und Voyeurismus, Distanz und Neugier gleichermaßen ist, untersucht Theodora Becker in ihrer Dialektik der Hure und fragt nach der Ambivalenz der sexuellen Ware, die diesen Zuschreibungen und Umgangsweisen zugrunde liegt. Dabei verfolgt sie anhand der Prostitution den Zusammenhang von Subjektivität, Sexualität, Warenform und Arbeit in der bürgerlichen Gesellschaft sowie seine Wandlungen seit dem 19. Jahrhundert und spielt mit der Sehnsucht des Lesers, hinter den Vorhang zu blicken, um einen verstohlenen Blick auf die dort arbeitenden Huren zu erhaschen.

  • von Iris Därmann
    32,00 €

    Wie konnten Menschen tun, was sie ihresgleichen in den ungeheuren Gewaltgeschichten der Moderne angetan haben? Iris Därmann findet eine Antwort in der zentralen Rolle einer historisch neuen Gewaltlust. In der transatlantischen Versklavung verband sich diese Lust an der Gewalt unauflöslich mit der Folter der Auspeitschung. Der Marquis de Sade war über die Zustände in den französischen Kolonien nicht nur gut unterrichtet, er hat die koloniale Gewaltlust auch literarisch sichtbar gemacht und in pornografische Praktiken verwandelt, die auf die Aufhebung der Sklaverei zielten. In Därmanns Analyse kommt Sade daher eine Schlüsselstellung zu: Sadismus ist in dieser Perspektive eine organisierte Gewaltpraxis, ein pornografisches Genre und ein kolonialrassistischer Gebrauch der Lüste. Gegen den verharmlosenden Versuch der Sexualwissenschaften des späten 19. Jahrhunderts, »Sadismus« auf die »Perversion« von Einzeltätern zu reduzieren, untersucht Därmann augenöffnend das gezielte Wiederaufgreifen der Peitschenfolter bei der Kolonisierung Afrikas und der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden; sie gibt dabei insbesondere jenen Raum, die der sadistischen Gewalt ausgesetzt waren, sie hellsichtig diagnostiziert und sich ihr widersetzt haben. Seit den 1930er-Jahren wurde Sadismus so auch zu einer kritischen Kategorie: Aimé Césaire, Frantz Fanon, Jean Améry, Georges Bataille und Pierre Klossowski fanden zurück zu Sades radikalpolitischem Projekt und stellten sich ihm zugleich bei der Suche nach einem anderen Begehren entgegen, das den menschlichen Körper nicht zur sadistischen Beute macht.

  • von Yassin al-Haj Saleh
    20,00 €

    Seit mehr als einem halben Jahrhundert steht Syrien im Zeichen des Assad-Regimes, eines Regimes, das willkürliche Verfolgung, Zerstörung und Folter zum strukturellen Herrschaftsprinzip erhob, um die eigene Macht auf Dauer zu sichern. Über Suriya al-Assad zu sprechen, bedeutet daher immer auch, über die gewaltsame Überschreitung der Grenzen von Körpern, Gesellschaft und Menschlichkeit zu sprechen, über Erfahrungswelten, in denen sich Tod und Leben bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt haben. Vor allem aber heißt es, über das Unmögliche zu sprechen, das entgegen aller Widerstände und erhofften Demokratisierungsbestrebungen Wirklichkeit geworden ist: das Schreckliche, das allen Sinn und alle Sprache vollständig versagt. Denn nur indem die grausamen Erfahrungen der Syrer in alle Betrachtungen des Landes miteinbezogen werden, indem der Schrecken möglichst unmittelbar dargestellt, durchlebt und anerkannt wird, kann es, wie Yassin Al-Haj Saleh auf atemraubende Weise zeigt, gelingen, ein Schreckensbewusstsein zu entwickeln, das einen moralischen Zorn bewirkt und so zu Kreativität und einer gerechteren Welt führt.

  • von Oxana Timofeeva
    18,00 €

    Ra, Tonatiuh, Surya, Sol invictus sind nur einige der Namen jener vielgestaltigen Gottheit, der die Menschen in früheren Zeiten in Ritualen und Gebeten huldigten und die mit dem Aufkommen monotheistischer Religionen schließlich auf die Rolle des sichtbaren Ausdrucks göttlicher Kraft reduziert wurde. Die Sonne selbst büßte indes nichts an Strahlkraft ein: Als Quell allen Lebens, dem immer auch ein destruktives Element zu eigen ist, befeuert sie spätestens seit Platon nicht nur unsere Vorstellung einer besseren Zukunft, sondern steht, wie die russische Philosophin Oxana Timofeeva unter Rückgriff auf Georges Bataille eindrücklich zeigt, für ein dringend benötigtes Gegenmodell zur auf unendliches Wachstum und Akkumulation zielenden, zerstörerischen Kapitalwirtschaft. Denn die Sonne ist reiner Überschuss. Sie verausgabt sich ohne Forderung nach Gegenleistung, ohne je an Grenzen zu stoßen. Eine politische Ökonomie also, die auf dem Prinzip der Sonne gründete, wäre eine des Altruismus und der Solidarität, eine, die sich verschenkt, sich ohne Berechnung verliert - und daher eine im Einklang mit der Natur stehende Möglichkeit jenseits aller bestehenden politischen Kategorien.

  • von Mark Arax
    38,00 €

    Das Wasser ist der große Protagonist in Mark Arax' epischem Werk, das die Geschichte von der Erschaffung und Erfindung eines Sehnsuchtsortes erzählt, dem tausend Kilometer langen Randstück des nordamerikanischen Kontinents, Kalifornien, das immer schon, gleich ob im Goldrausch oder im Agrarrausch, auf Gedeih und Verderb den wilden Ausschlägen von Dürre und Flut ausgeliefert war. Daneben treten unzählige Personen auf - historische und lebende, namhafte und namenlose -, die jeder und jede ihre eigene Rolle in der Geschichte des Wassers in Kalifornien spielen: Politiker und Großfarmer der Nuss-, Trauben- und Zitrusplantagen, Indigene Einwohner, prekär beschäftigte Landarbeiter und kleine Farmer, die sich um eine nachhaltigere Landwirtschaft bemühen. Und immer wieder tritt Arax als Chronist selbst auf, denn ihn interessiert die Schnittstelle zwischen dem Persönlichen und dem Land, das seine vor dem Genozid an den Armeniern geflüchtete Familie über zwei Generationen geprägt hat. Reportage, Geschichte und Memoir verbinden sich so zu einer groß angelegten Erzählung über Wasser und Land, verfasst in einer mitreißenden, sprachgewaltigen Prosa, die ein lebhaftes Bild des reichsten amerikanischen Staates, in dem Big Ag heute ungeachtet der Weltklimakrise eine Rekordernte nach der anderen einfährt, in all seiner Widersprüchlichkeit zeichnet.

  • von Katharina Bluhm
    34,00 €

    Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 wird sehr viel über die Gedankenwelt des mächtigsten Mannes Russlands gerätselt. Der früher als geschickter Pragmatiker anerkannte Putin wirkt nun als entrückter alter Mann, der als neuer Peter I. oder Nikolai I. in die Geschichte eingehen möchte. Es wird gerätselt, was er liest, wem er sein Ohr leiht, wer sich seines Hirns bemächtigt hat. Jeder kann Putins geschichtsversessene Reden auf Deutsch lesen. Also alles bekannt? Katharina Bluhms grundlegendes Buch wendet sich gegen den verkürzten Blick auf die Machtspitze Russlands und die Putinologie. Sie analysiert, wie sich seit dem Ende der 1990er-Jahre eine illiberal-konservative, intellektuelle Gegenbewegung zur Schocktherapie und Westintegration formiert hat, wie sie in den 2000er-Jahren versucht, sich im neuen Parteiensystem Russlands zu etablieren, und wie deren Motive, Ideen und Konzepte ab 2012 in das konservativ-repressive Staatsprojekt Putins einfließen. Bluhm lenkt die Aufmerksamkeit auf jene gesellschaftlichen Kräfte, die das Putin-Regime tragen und seinen Staatskapitalismus beeinflusst haben, zugleich aber in permanenter Spannung zu ihm stehen. Ohne sie lässt sich die Rückkehr Russlands als eine revisionistische Macht auf die Weltbühne nicht verstehen.

  • von Walter Sperling
    38,00 €

    »Was war der Vielvölkerstaat Sowjetunion, der immerhin sieben Jahrzehnte lang das Leben von über zweihundert Millionen Menschen bestimmte? Wie funktionierte das Miteinander der multiethnischen Gemeinschaften, die in einer Vielzahl von sowjetischen Städten über Jahrzehnte bestanden? Anders gefragt, wie gelang es den Menschen, nach den Exzessen der Gewalt - Revolution, Bürgerkrieg, Terror, Zweiter Weltkrieg - einander wieder in die Augen zu schauen und neues Vertrauen zu fassen? Oder waren die gemeinsam verlebten Jahrzehnte nach Stalins Tod nichts weiter als ein Ausharren, ein Warten auf das >Ende der Geschichte« Die Suche nach Antworten auf diese Fragen führte Walter Sperling in dieser mitreißend erzählten Alltagsgeschichte an den Rand der ehemaligen Sowjetunion, nach Grosny. Dort bündelt sich wie in einem Brennglas das Kräftespiel von Widerstand und Integration, im Ringen des russischen Imperiums und der Peripherie, der Kolonisatoren und Kolonisierten. Erst Garnisonsort, dann Boomtown des Erdöls, nach der Oktoberrevolution Baustelle des Sozialismus, wenig später Frontstadt im Visier der deutschen Wehrmacht. Nach der Deportation der Tschetschenen und Inguschen 1944 und deren Rückkehr 1957 hörte man lange nichts mehr von dem beschaulichen Städtchen im Kaukasus, das beharrlich um seinen sozialen Frieden rang. Bis zum ersten russischen Tschetschenienkrieg, als Grosny erneut in Ruinen endete. Die Eskalation und die Radikalisierung zeichnet Walter Sperling nach. Vor allem aber macht er die Bemühungen sichtbar, Brücken zu schlagen und zu vermitteln, weil die Eliten der multiethnischen und multireligiösen Peripherie wussten, was der Preis von Entfesselung ist.

  • von Amitav Ghosh
    28,00 €

    Auf einer indonesischen Insel fällt eine Öllampe zu Boden, kurz danach begehen niederländische Soldaten ein Massaker an den Inselbewohnern.Wie hängen diese beiden Geschehnisse zusammen und was geschah danach? Mit dieser Frage beginnt Amitav Ghosh seine Recherche auf den Spuren der Muskatnuss. Heute alltägliches Gewürz, galt sie im 17. Jahrhundert als Luxusgut ¿ allein eine Handvoll davon reichte aus, um einen Palast zu erbauen ¿, denn die seltene Frucht wuchs nur auf jener Insel, die niederländische Truppen vornehmlich deshalb in Besitz nahmen, um das Handelsmonopol für die Niederländische Ostindien-Kompanie zu sichern. Während Amitav Ghosh die Reise der Muskatnuss nachzeichnet, veranschaulicht er eindrucksvoll die Mechanismen von Kolonialismus und Ausbeutung der Einheimischen sowie der Natur durch westliche Länder. Mitreißend stellt er dabei die Verbindung geschichtlicher Entwicklungen mit aktuellen Realitäten her, verkettet niederländische Stillleben und die Nomenklatur nach Linné mit der Black-Lives-Matter-Bewegung, der Covid-Pandemie und der Standing Rock Sioux Reservation, um zu zeigen, dass der heutige Klimawandel in einer jahrhundertealten geopolitischen Ordnung verwurzelt ist, die vom westlichen Kolonialismus und seiner mechanistischen Weltsicht - die Erde als bloßem Ressourcenlieferant für die Menschheit - geschaffen wurde.

  • von Francois Jullien
    18,00 €

  • von Roger Clarke
    18,00 €

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