Über "Wehe dem, der allein ist!"
Der Münchner Rechtsanwalt Ernst Seidenberger entstammte einer alten jüdischen Familie. Schon früh verspürte er jedoch den Wunsch, sich von seiner jüdischen Herkunft abzugrenzen und in die "deutsche Gemeinschaft" zu streben. Er konvertierte zum katholischen Glauben und meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger. Die Ereignisse des Jahres 1933 setzten eine tiefe Zäsur in seinem Leben. Seine Kanzlei wurde geschlossen, die "Mischehe" mit seiner "arischen" Frau geschieden. Nach Zwangsarbeit in einem Münchner Rüstungsbetrieb blieb ihm nur noch die Betreuung jüdischer Mandanten als "Konsulent". Getrennt von Familie, Beruf und Mitmenschen folgte die Deportation nach Theresienstadt. Ernst Seidenberger überlebte. Er beteiligte sich aktiv an der Entnazifizierungsdebatte der Nachkriegszeit.
Um die Verfolgungsgeschichte seines Großvaters zu erkunden, musste der Enkel und Autor den Nebel jahrzehntelangen familiären Schweigens durchdringen und Überlieferungen nachspüren. Gespräche, Briefe, Notizen und zahlreiche Dokumente ließen das Bild eines Menschen entstehen, dessen Lebenswelt zusammenbrach und der durch die Verfolgungsmaschinerie der Nationalsozialisten Schritt für Schritt in die Einsamkeit getrieben wurde.
Zeitgleich und vielfach verwoben mit der Verfolgungsgeschichte des Großvaters ergriff die Nazidiktatur auch Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder "halbjüdischer" und jüdischer Herkunft, die die Nachforschungen des Autors erstmals ans Licht brachten.
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